Im Gottesdienst zur Einführung
der Konfirmanden am 11. Sonntag nach Trinitatis, am 19. August 2007,
predigt Pfarrer Ralf-Andreas Gmelin zum Gleichnis vom Sämann,
Lukas 8,4-15 4:
Liebe Gottesdienstgemeinde,
liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,
nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern. Der Satz ist auch schon
alt, aber für jede Generation scheint das Karusell des
Uraltwerdens immer schneller zu wirbeln.
Der Musikgeschmack von Jugendlichen kann sich täglich wandeln und
was sie gestern noch toll fanden, das kann man morgen vergessen.
Liebe Konfis,
als Eure Kirche stemmen wir uns gegen den Trend. Wir sind in allem
Ernst der Meinung, dass es sich immer noch lohnt auf Geschichten zu
hören, die 2000 Jahre und älter sind. Und bei den Liedern,
die wir zusammen singen wollen, sind welche dabei, die um die 500 Jahre
alt sind – Und wir schämen uns dafür nicht einmal, dass wir
so unmodern sind. Aber andrerseits: Wenn die Kirche nur ein Museum
wäre von alten Liedern und alten Geschichten, wenn diese Lieder
und Geschichten nichts hätten, womit sie Eure Fragen beantworten
könnten, dann wäre unsere Kirche ein Museum und die Pfarrer
im Talar Museumswächter.
Ich lade Euch ein, mit mir auf eine alte Geschichte zu hören. Sie
entführt uns in eine weit entfernte Landschaft. Lasst uns
hinausziehen zu dem, nach dem wir unsere Kirche „christlich“ genannt
haben, zu Jesus Christus.
Lk 8,4-15 4 Vom Sämann
Wir gehen hinaus in die Landschaft von Galiläa. Das liegt im
Norden von Israel. Stellt Euch eine grüne Hügellandschaft
vor. Irgendwo nicht allzu weit öffnet sich östlich ein tiefes
Tal, in dem der See Genezareth liegt. Oben auf der Höhe liegen
einige Dörfer und Städtchen verstreut. Einige Menschen sind
zusammengelaufen. Der Grund ist Jesus:
„Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den
Städten zu ihm eilten, redete er in einem Gleichnis:
Es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen. Und indem er
säte,
fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter
dem Himmel fraßen's auf.
Und einiges fiel auf den Fels;
und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte.
Und einiges fiel mitten unter die Dornen;
und die Dornen gingen mit auf und erstickten's.
Und einiges fiel auf gutes Land;
und es ging auf und trug hundertfach Frucht.
Als er das sagte, rief er:
Wer Ohren hat zu hören, der höre!“
Liebe Konfirmandinnen,
liebe Konfirmanden,
Ohren habt Ihr und ich hoffe, Ihr habt die Geschichte auch gut
hören können.
Vielleicht geht es Euch dennoch so wie den Freunden von Jesus. Im
nächsten Satz nach diesem Gleichnis von den Samenkörnern
heißt es:
9 Vom Sinn der Gleichnisse
„Es fragten ihn aber seine Jünger,
was dies Gleichnis bedeute.“
Ihr seid also in guter Gesellschaft. Auch die, die jeden Tag mit Jesus
zusammen sind, wissen nicht ganz genau, was Jesus mit diesen
Samenkörnern meint. Wir sind Jesus dankbar, dass er unsere Frage
nach der Bedeutung beantwortet.
Jesus sagt:
„Euch ist's gegeben,
die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, den andern aber in
Gleichnissen,
damit sie es nicht sehen, auch wenn sie es sehen, und nicht verstehen,
auch wenn sie es hören.
Die Deutung des Gleichnisses vom Sämann
Das Gleichnis aber bedeutet dies:
Der Same ist das Wort Gottes.
Die aber auf dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der
Teufel
und nimmt das Wort aus ihrem Herzen,
damit sie nicht glauben und selig werden.
Die aber auf dem Fels sind die:
wenn sie es hören,
nehmen sie das Wort mit Freuden an.
Doch sie haben keine Wurzel;
eine Zeitlang glauben sie,
und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab.
Was aber unter die Dornen fiel,
sind die, die es hören
und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den
Freuden des Lebens
und bringen keine Frucht.
Das aber auf dem guten Land sind die,
die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und
bringen Frucht in Geduld.“
Jesus spricht deutlich aus, wie es geht mit Gottes Wort, wenn wir
Menschen es mit unseren Ohren empfangen. Es kommt an, aber es gedeiht
nicht in allen Herzen gleich.
Wenn Ihr Euch vorstellt, dass auf den Bänken, auf denen Ihr sitzt,
seit 1894 jedes Jahr Konfirmandinnen und Konfirmanden gesessen haben.
Wenn Ihr Euch vorstellt, dass die mit dem gleichen Gemisch aus Neugier,
Respekt, Müdigkeit und Gesprächigkeit hier gesessen haben,
dann können wir uns dieses Gleichnis von Jesus auf alle Konfis der
Ringkirche gut vorstellen. Tausende von getauften Christen aus
Wiesbaden sind hierher gekommen. Sie saßen am Dienstag im
Konfirmandenunterricht und sie haben das Wort Gottes gesagt bekommen.
Und dann war es bei ihnen. Sie wurden älter, viele haben eine
eigene Familie gegründet, ihre Kinder taufen lassen, sie wurden so
alt wie ich heute und irgendwann sind schon viele von ihnen gestorben.
Viele von den hier konfirmierten Christen sind aber auch am Leben und
manche von ihnen fragen sich, wie es ihnen ergangen ist mit dem Wort
Gottes.
Die Christen, bei denen sich ihr Herz in einen Fels verwandelt, das
sind die: wenn sie Gottes Wort hören, dann finden sie es ja ganz
nett. Sie streiten sich nicht, das wäre auch viel zu anstrengend.
Aber es geschieht auch nichts mit ihnen. Das Wort Gottes kann in ihrem
Herzen keine Wurzel ziehen: Eine Zeitlang liegt das Wort Gottes in
ihrem Gedächtnis herum, und wenn sie es für eine wichtige
Entscheidung im Leben brauchen, fallen sie ab. Das ist eine Gruppe von
Christen, die zu unserem Brüdern und Schwestern dazu gehören.
Die zweite Gruppe:
Wenn das Wort Gottes unter die Dornen fällt, die in unserem Herzen
wuchern, dann sind dies Christen, die dieses Wort zwar hören; aber
es hat keine Chance in ihrem Herzen zu gedeihen, weil das Herz so mit
anderen Dingen voll ist. Da stehen dichte Laubhecken, auf denen Sorgen
wachsen: Hab ich die richtigen Klamotten an, komme ich auf das
nächste Level meines Computerspiels, kann ich etwas Sinnvolles mit
meinem Leben anfangen, werde ich gute Freunde haben, finde ich eine
aufrichtige Freundin, werde ich einmal genug Geld haben, werde ich mir
kaufen können, was ich möchte?
Jesus sagt, dass diese ins Herz gesäte Worte keine Frucht
bringen. Sie müssen unter den Wucherungen ersticken, die uns das
Herz schwer machen.
Die letzte Gruppe, die Jesus vorstellt, sind die Christen, bei denen
die Worte Gottes auf das gute Land fällt. Ein Samenkorn, das dort
seinen Platz finden, findet einen feuchten Boden für seine
Wurzeln, es findet das helle Licht für seine Blätter und es
kann ungehindert zu einem großen starken Baum werden, an dem
herrliche Früchte reifen. Das sind die Christen, die das Wort
hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen
Frucht in Geduld.
Liebe Gottesdienstgemeinde,
liebe Konfis,
nach dieser Geschichte ist klar, was wir möchten: Wir
wünschen uns möglichst viele Konfis, die das Wort Gottes
hören und sich als gute Erde erweisen, auf dem dieses Samenkorn
wachsen kann.
Aber warum soll Euch das reizen?
Christen müssen es heute aushalten, dass sie belächelt
werden. Von Leuten, in deren Herzen ganz anderes Gestrüpp regiert.
Belächelt werden macht niemandem Spaß.
Aber dennoch gilt: Wenn Gott auf Deiner Seite ist, dann hast Du auch
Mut und Kraft ein dümmliches Auslachen wegzustecken.
Christen werden von einem Teil der Menschheit bekämpft. In der
Tat: Auch Christen haben schreckliche Taten vollbracht. Christen haben
fürchterliche Kriege geführt und manche Untat begangen. Aber
wenn wir Christen den Vorwurf hören von den Angehörigen
anderer Religionen?
Nennen wir es beim Namen: Gegen islamische Völker hat es
jahrhundertelang Kreuzzüge gegeben. Aber über die
Vernichtungsfeldzüge islamischer Völker wird geschwiegen.
Manche Moschee in Westeuropa trägt den Namen von brutalen
Heerführern dieser islamischen Kriege.
Wir Christen haben uns immer wieder an Jesus Christus zu erinnern, an
das Wort, das er in unsere Herzen sät. Und damit dürfen wir
auch zugeben, was wir falsch gemacht haben. Die falschen Kriege in
unserer gemeinsamen Vergangenheit ebenso wie die kleineren Untaten, die
jeder von uns auf seinem Kerbholz haben mag. Reue ist etwas Kostbares!
Aber wir brauchen keine Mitmenschen, die von uns Reue fordern und ihre
eigenen Verbrechen für ganz normal halten. Unser Christsein sollte
uns Selbstbewusstsein geben auch für die Begegnung mit Menschen
anderer Religionen.
Christen bekommen ein großes Versprechen: DU Christ, wirst mit
Deiner Taufe auf Jesus Christus getauft, der vom Tod auferstanden ist.
Ich denke, Euch ist das Thema Tod – hoffentlich – noch weit weg: Aber
dieses Versprechen Gottes ist der Grund, warum sich das Christentum in
wenigen Jahrhunderten zur größten Weltreligion der Erde
entwickelt hat. Das ist der christliche Glaube noch immer- die
größte Weltreligion. Und das sollte uns auch ermutigen,
miteinander auf die Suche zu gehen, was hinter dem Geheimnis der
Auferstehung steckt. Unser ganzes Kirchenjahr, dem wir mit unseren
Gottesdiensten folgen, dreht sich um das Heilige Osterfest. Ich
wünsche uns als Kirche und Gemeinde und ich wünsche Euch als
Konfi-Gruppe, das wir uns dem Geheimnis der Auferstehung nähern
können, damit es Euch Kraft und Stärke im Glauben gibt.
Im Juni nächsten Jahres sollt Ihr hier bekennen, dass Ihr zu dem
gehören wollt, der Euch an seiner Auferstehung teilheben lassen
will.
Ich wünsche uns, dass Ihr in etwa einem Dreiviertel-Jahr davon
überzeugt seid: Die Botschaft von Jesus Christus ist eine kostbare
Botschaft für mich und eine kostbare Botschaft für den
Frieden unserer Welt. Und dass sie bei Euch reife Früchte
trägt.
Gott, lass DU uns zur Gemeinschaft von Christen werden, bei denen DEINE
Botschaft auf gute Erde fällt,
Amen.