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Am 4. Sonntag nach Epiphanias dreht
sich die Predigt von Ralf-Andreas Gmelin um Selbstgerechtigkeit, wie es
eine Stelle aus dem Epheserbrief vorgibt (Eph. 1, 15-23):
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem HERRn
Jesus Christus.
Gebet um Erkenntnis der Herrlichkeit Christi (Eph. 1,15-23):
Der Epheserbrief berichtet von dem Erstaunen über die Herrlichkeit
Gottes. Dort heißt es:
„Darum auch ich,
nachdem ich gehört habe von dem
Glauben bei euch an den Herrn Jesus
und von eurer Liebe zu allen Heiligen,
höre ich nicht auf, zu danken
für euch,
und gedenke euer in meinem Gebet,
daß der Gott unseres Herrn
Jesus Christus,
der Vater der Herrlichkeit,
euch gebe den Geist der Weisheit
und der Offenbarung, ihn zu erkennen.
Und er gebe euch erleuchtete Augen
des Herzens,
damit ihr erkennt,
zu welcher Hoffnung ihr von ihm
berufen seid,
wie reich die Herrlichkeit seines
Erbes für die Heiligen ist
und wie überschwenglich
groß seine Kraft
an uns, die wir glauben,
weil die Macht seiner Stärke
bei uns wirksam wurde,
mit der er in Christus gewirkt hat.
Durch sie hat er ihn von den Toten
auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel
über alle Reiche, Gewalt, Macht,
Herrschaft
und alles, was sonst einen Namen hat,
nicht allein in dieser Welt,
sondern auch in der zukünftigen.
Und alles hat er unter seine
Füße getan
und hat ihn gesetzt
der Gemeinde zum Haupt über
alles,
welche sein Leib ist, nämlich
die Fülle dessen,
der alles in allem erfüllt.“
Herr, tu meine Lippen auf, dass mein
Mund DEINEN Ruhm verkündige. Amen.
„Wenn ich zurückblicke, war das Schlimmste in der Anfangzeit der
nationalsozialistischen Diktatur, daß Menschen, mit denen man
bisher normal verkehrte, sich plötzlich rar machten. Man
fühlte sich auf einmal als Außenseiter, als Paria, als
Ausgestoßener. Und das war nicht nur, wie es oft verharmlosend
hieß, Feigheit oder Angst. Es war für die meisten ein
unverständliches Anpassen an das Böse ... Es war ein
Gesinnungswandel, ja eine Gesinnungslumperei. In vielen Menschen hatte
der Teufel über Gott gesiegt.“
Noch einmal ein Zitat aus der Rede des Buchenwald-Überlebenden
Ernst Cramer vor Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Im Es ist
schwer, den Augenblick zu erkennen, wenn der Teufel uns zum Bösen
verführt. Es ist besonders schwer, wenn so viele Menschen um uns
herum erfolgreich dem Teufel auf den Leim gehen. Im Nachhinein ist es
immer leicht zu erkennen, wann Menschen die Entscheidungsfrage ihres
Lebens hätten stellen sollen, wann sie ein klares Nein hätten
sagen sollen. Am leichtesten ist es, wenn man anderen Menschen
vorhält, sie hätten etwas anders machen sollen. Das macht die
Auflehnung einer ganzen Generation unglaubwürdig, die sich heute
stolz in die Brust wirft, „Altachtundsechziger“ zu sein. Die ungeheure
Selbstgerechtigkeit mit der sich die damaligen Agitatoren in Pose
warfen, muss ertragen, heute ebenso überprüft zu werden, wie
sie die Generation ihrer Väter und Mütter überprüft
hat.
Ich beginne mit meinem christlichen Glaubensbekenntnis: Für mich
ist der christliche Glaube die fundierte Skepsis, mit der ich
einerseits erkennen muss: Ich bin nicht Gott und darum kann ich auf der
falschen Seite stehen. Aber andererseits: Gott nimmt mich an und darum
darf ich mich ernst nehmen, mit meiner Suche nach der Wahrheit in
meinem Leben.
Das bedeutet: Die Skepsis macht den Christen, indem sie verhindert,
dass er sich einbildet, gerecht und gut zu sein. Sie macht ihm klar:
Ich bin nicht Gott! Aber das Fundament dieser Skepsis ist der Glaube,
ohne den diese Skepsis in einem anarchischen Skeptizismus umschlagen
kann.
Der Glaube an die Liebe Gottes bindet
die christliche Skepsis an den Menschen und an die Liebe zum Menschen.
Sonst kann sie auch in blanken Zynismus ausarten. An dieser Stelle
berühren sich Paulus und Luther. Paulus kämpft dagegen, dass
wir Christen uns rühmen, etwas Besseres zu sein. Das einzige, was
an uns gut ist, ist unsere Verbindung zum gekreuzigten und
auferstandenen Christus. Und darin folgt ihm Martin Luther, der seine
reformatorische Grundidee nicht zufällig beim Lesen der
Paulusbriefe bekommen hat. Luther geht es um das Fundament unter dem
Zweifel, wenn er zum Beispiel ein falsches Gottesdienstverständnis
in seiner Zeit feststellt: Die Messe müsse nicht um ihrer selbst
willen gefeiert werden, sondern sie ist eingesetzt, damit wir durch sie
würdig gemacht werden, besonders, um hier das Leiden Christi zu
bedenken. Wo dies nicht geschieht, „so macht man aus der Messe ein
läppisch unfruchtbares Werk. … Was hilft es dir, wenn Gott Gott
ist, wenn er nicht Dir ein
Gott ist?“ Der Gottesdienst bekommt dann
eine wichtige Aufgabe, wenn er den Menschen im Glauben an Gott
fundamentiert: Ich selbst muss auf dieser festen Grundlage des Glaubens
stehen, damit ich die Skepsis ertrage, zu der mich genau dieser Glaube
auffordert.
Der emeritierte Giessener Philosoph Odo Marquard ist Skeptiker. Er
steht dem Christentum und seinem Monotheismus allenfalls in
kritisch-ironischer Distanz gegenüber. Aber für die
skeptische Seite dieser paulinisch-lutherischen Glaubensweise, ist er
ein kristallklarer Mitstreiter. Er hat schon vor 25 Jahren die
Altachtundsechziger gewogen und für zu leicht befunden: „Die in
der Nationalsozialistenzeit zwischen 1933 und und 1945 weitgehend
ausgebliebene Revolte gegen den Diktator wurde stellvertretend
nachgeholt durch den Aufstand gegen das, was nach 1945 an die Stelle
der Diktatur getreten war: darum wurden die „Totems“ gerade
geschlachtet und aufgegessen und die „Tabus“ gerade gebrochen: nach der
materiellen Fresswelle kam so die ideologische.“ Diesem
nachträglichen Ungehorsam war im Grunde egal, wogegen er sich
wenden konnte. - Während der aktuelle Ungehorsam im rechten
Augenblick dazu zwingt, ein Gewissen zu haben und ihm zu folgen, sei es
damals Trend gewesen, nicht mehr Gewissen zu haben, sondern Gewissen zu
sein: Wer selbst die anderen anklagt, entgeht so jeder Anklage gegen
sich selbst.
Noch einmal Ernst Cramer im deutschen
Bundestag: „Wenn ich an solche Menschen denke,“ - die damals
weggeschaut haben – „stellt sich mir auch oft die Frage, wie ich mich
wohl verhalten hätte, wenn ich damals ein nichtjüdischer
Deutscher gewesen wäre. Ich hoffe, ich wäre, der Richtschnur
meiner Mutter folgend, ehrenhaft geblieben. Aber mit Sicherheit kann
ich das nicht behaupten. Und ich warne auch die Nachgeborenen. Viele
davon sprechen nicht nur ihre Väter und Großväter
schuldig, sondern verkünden vollmundig, so etwas wäre bei
ihnen völlig unmöglich gewesen. Niemand aber sollte über
andere urteilen, der den Verlockungen nicht selbst ausgesetzt war.“
Den Verlockungen des Teufels entkommt nicht, wer sich in das Gewissen
anderer verwandelt. Wer der Verstrickung in dieses teuflische Geflecht
von Feigheit, Eitelkeit und Selbstgerechtigkeit entgehen will, der muss
Licht in sein Herz lassen und sein eigenes Gewissen
überprüfen. Wer tief in seinem Inneren nachschaut, was ihn
bewegt, der findet da die Gründe für eine gesunde Skepsis.
Wer sich über sich selbst keine Illusionen mehr macht, wer sich
nicht vorgaukelt, dass er doch besser sei als alle anderen, der
hat eine Chance, den richtigen Augenblick zu erkennen, in dem wir uns
für das Gute entscheiden müssen.
Hier verlässt meine Predigt den Boden der Skepsis: Die philosophische Skepsis ruht nur in sich selbst, während die christliche Skepsis an die Stelle der menschlichen Ohnmacht die Kraft Gottes setzt. Damit der Teufel nicht über Gott siegt, glauben wir an die Macht Gottes: Weil Gott unsere Grenzen sprengt, weil er mächtig ist, können wir zugeben, dass wir Grenzen haben und fehlerhaft sind. In der Skepsis gegen unsere eigene Herrlichkeit und auf der Grundlage des Glaubens können wir im Augenblick der Entscheidung nach dem fragen, der uns Antwort geben kann.
Die christliche
Skepsis beginnt bei dem
Staunen über Gottes Herrlichkeit, wie der Epheserbrief schreibt:
„Und
Gott gebe euch erleuchtete Augen
des Herzens, damit ihr erkennt,
zu welcher
Hoffnung ihr von ihm
berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die
Heiligen ist
und wie überschwenglich
groß seine Kraft
an uns, die wir glauben,
weil die Macht seiner Stärke
bei uns wirksam wurde,
mit der er in Christus gewirkt hat.
Durch sie hat er ihn von den Toten
auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel
über alle Reiche, Gewalt, Macht,
Herrschaft
und alles, was sonst einen Namen hat,
nicht allein in dieser Welt,
sondern auch in der zukünftigen.
Und alles hat er unter seine
Füße getan
und hat ihn gesetzt
der Gemeinde zum Haupt über
alles,
welche sein Leib ist, nämlich
die Fülle dessen,
der alles in allem erfüllt.“
Gott schenke Du uns Vertrauen in Deine Herrlichkeit, denn
dein Friede, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre
unsre Herzen und Sinne in Christo, Jesu, Amen.