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Am 1. Sonntag nach Epiphanias, den 11. Januar 2004 erinnert Ralf-Andreas Gmelin (Prediger) an dieses „Erscheinungsfest“ und wird von einem „Raben“ unterbrochen, dem Michael Mädler (München)  die Stimme leiht:

Prediger:  

Liebe Gottesdienstgemeinde,

am 6. Januar war ein höheres kirchliches Fest – und dennoch haben wir die Kirche nicht zu einem Gottesdienst geöffnet: Der Tag hieß „Epiphanias“, Tag des Erscheinungsfestes. Darum holen wir diesen Tag am Sonntag nach Epiphanias – und das ist heute - nach. In Deutschland ist dieser Tag bekannter unter einem anderen Namen, den auch manche politische Veranstaltungen tragen: Tag der „Heiligen Drei Könige“.

Die „Heiligen drei Könige“ sind eigentlich die „Weisen aus dem Morgenland“, die nach dem Matthäusevangelium kurz nach der Geburt von Jesus in den Stall von Bethlehem kamen, weil sie einem Stern gefolgt sind. Sie besuchen den neugeborenen Jesus und seine Mutter, und huldigten ihnen und schenken ihnen alle Kostbarkeiten des Südens: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Danach wissen wir nichts mehr über die Weisen. Sie wandern wieder nach Hause. Aber die Legende hat ihr Leben weiter gestrickt: Sie wurden zu drei Missionaren, der Apostel Thomas weihte sie zu Bischöfen, sie bekehrten viele Menschen und starben kurz hintereinander und wurden in einem gemeinsamen Grab beigesetzt. Kaiserin Helena ließ die Gebeine von ihnen heben und schuf damit hochbegehrte Reliquien.

Rabe: Iiiiiiiihhh!

Prediger: Was heißt denn hier iiiih?  

Rabe: Diese Kaiserin Helena hat doch alte Knochen ausgraben lassen. Wir Raben gelten ja als Allesfresser. Aber da würden nicht einmal wir dran nagen wollen, wenn die Knochen schon 300 Jahre in der Erde waren.

Prediger: Die Kaiserin Helena war aber kein Rabe! Man dachte damals, dass die sterblichen Reste von Menschen – also ihre Knochen - eine Kraft haben, die den Lebenden hilft. Die wurden nicht abgenagt, sondern in goldenen Särgen beigesetzt.

Rabe: Trotzdem eklig, solche alten Knochen. Was sollen die schon für Wunder wirken?

Prediger: Man hat sie bei Wallfahrten aufgesucht. Solche Wallfahrten unternahmen viele Menschen, wenn sie etwas Schreckliches erlebt hatten, zum Beispiel eine Krankheit. Zu den heiligen drei Königen pilgerte man, wenn man Angst hatte, an Epilepsie zu erkranken. Vielleicht sollte ich auch mal eine machen. Ich weiß nur nicht welcher Heilige gegen freche Raben hilft.

Rabe: Wohin muss man denn pilgern, um die Heiligen drei Könige zu besuchen?

Prediger: Die sind –wenn man an die Legende glaubt – heute im Kölner Dom untergebracht. Reinald von Dassel, der Kanzler von Kaiser Friedrich Barbarossa hat sie in Mailand bei einem Feldzug - nun ja, mitgehen lassen. Ein bisschen was von dieser Kriegsbeute ist dann Anfang des letzten Jahrhunderts nach Mailand zurückgegeben worden. Im Mittelalter war dieser goldene Schrein eines der wichtigsten Ziele von Wallfahrten.

Rabe: Und glaubt da heute noch einer dran, dass die alten Knochen Wunder wirken?

Prediger: Nicht nur die alten Knochen. Es gibt ganz viele Menschen, die daran glauben, dass die Heiligen drei Könige ihr Haus und ihren Hof beschützen helfen. Wenn Du – gerade in katholischen Gegenden über Bauernhöfe fliegst, siehst du manchmal ein lateinisches Kreidezeichen: Eine 20, den Anfang der Jahreszahl, ein Kreuz, ein C, ein Kreuz, ein M, ein Kreuz, ein B, ein Kreuz und dieses Jahr die 04.

Rabe: Und das heißt, dass für hungrige Raben in diesem Jahr nicht zu holen ist? „Corve, male becco!“ -  „Rabe,  es steht schlecht für Deinen Schnabel“?

Prediger: Huh, hoffen wir, dass hier niemand Latein spricht. Nein: C M B stehen sowohl für die Anfangsbuchstaben der Namen, die man den Heiligen drei Königen gegeben hat, also Caspar Melchior und Balthasar, als auch für den Segen, den sie an den Häusern hinterlassen sollen: CMB heißt dann: Christus Mansionem Benedicat: Christus segne dieses Haus.

Rabe: Und du meinst, den Katholiken hilft das?

Prediger: Immerhin trauen sie Christus etwas zu. Und das ist grundsätzlich gut. Ob die Buchstaben oder die Heiligen drei Könige dazu etwas beitragen, weiß ich nicht. Oder ganz ehrlich: Glaube ich nicht.

Rabe: Aber du meinst: Früher haben alle an so etwas geglaubt?

Prediger: Ob alle daran geglaubt haben, weiß ich nicht. Aber die heiligen drei Könige haben viele Spuren hinterlassen: An vielen Kirchenglocken – an unseren nicht – wurden Zeichen der Heiligen drei Könige angebracht, damit ihr Schall die umliegenden Häuser vor Feuer und Schaden behüten soll.  Und viele alte Gasthäuser tragen in ihrem Namen dieselben Symbole, die auf die Heiligen drei Könige hinweisen: Zum Mohren, Zum Stern, zur Krone.

Rabe: Und warum erzählst du uns heute so alte Märchen?

Prediger: Weil ein gewisses schwarzgefiedertes Vogelvieh mich gefragt hat. Eigentlich sollte es um Epiphanias gehen, um den Tag der Erscheinung des Herrn. In der alten Kirche hörte man an diesem Tag die Geschichte von der Taufe Jesu: Jesus geht zum Jordan, Johannes tauft ihn und es tut sich der Himmel auf und Jesus sieht den Geist Gottes als eine Taube herab fahren.

Rabe: Schon wieder so eine Taube. Warum können da nicht anständige Vögel aus dem Himmel kommen?

Prediger: Weil diese Tauben weiße, edle Vögel waren, die selten zu sehen waren und darum auch als Friedensvögel galten. Im Gegensatz zu schwarzen vorlauten Vögeln, die viel zu häufig dazwischenkrächzen.

Rabe: Jetzt bleib mal sachlich: Was hat es mit Epiphanias auf sich?

Prediger: In Kleinasien und Byzanz war Epiphanias der große Tauftag. Wer Christ werden wollte, ließ sich an diesem Tag taufen. Und es ist schön, dass sich heute unser Gottesdienst an diese alte, längst vergessene Tradition anschließt.

Rabe: Und was haben unsere drei Täuflinge davon, dass ihr Tauftag schon in uralten Zeiten Tauftag war?

Prediger: Wir wünschen unseren Täuflingen, dass sie mit der Taufe Jesu verbunden werden: Jesus ließ sich taufen und spürte Gottes Wirken. Und die Christen, die an Epiphanias an diese Taufe erinnert haben, verbanden damit die Hoffnung, dass wir Christen genau so Gottes Wirken spüren können. Dazu waren alle diese christlichen Festtage da: Dass sie zeigen: Was Christus erlebt hat, ist nicht vergangen und vorbei. Was Christus erlebt hat, das gilt jetzt, heute und für Dich. 
 
Rabe: Und was gilt jetzt, heute und für mich, wenn du Geschichten von den Heiligen drei Königen erzählst?

Prediger: Vor dem Christkind in der Krippe knien drei Menschen: Ein junger, ein mittelalter und ein alter. Sie kommen aus verschiedenen Erdkreisen. Und gerade hier in der Ringkirche, wo die äthiopisch orthodoxe Gemeinde aus Afrika ihre Gottesdienste feiert, ereignet sich jeden Monat dieses Wunder, dass ganz viele Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft in diesem Raum zusammenkommen, um Jesus Christus anzubeten. Mit der Taufe werden wir mit der Hoffnung verbunden, dass gerade in unserer Zeit Jesus Christus dazu beiträgt, dass Menschen unterschiedlichen Alters, und unterschiedlicher Herkunft friedlich miteinander leben können.

Rabe: Dann ist die Geschichte doch nicht so weit hergeholt, wie die, die du über die alten Knochen erzählt hast. Dann haben die drei Weisen doch etwas zu tun, mit Lisa-Marie, mit Marie und Julie. Vielleicht helfen ihnen die drei Weisen aus dem Morgenland, sich an ihre Taufe zu erinnern, - und daran, was sie bedeutet!