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Am 8. Sonntag nach Trinitatis wurde Ralf-Andreas Gmelin in einem Taufgottesdienst wieder einmal von dem Raben von der Kanzel gedrängt. Er flatterte auf die Kanzel und erinnert an eine alte Geschichte:

Hallo, Leute,
lange nicht gesehen. Im Augenblick hören wir Raben von den Menschen nur stöhnen: Zu heiß, alles pappt, wann wird endlich wieder kühler! Sonst wurde oft gefragt: Wann wird endlich wieder richtig Sommer? Und jetzt, wo es wieder richtig Sommer ist, wünschen die Menschen sich wieder Nieselregen. Euch kann’s keiner Recht machen!

He, Ihr Kinder: Guckt mal in Euer Gottesdienstblatt. Dort findet Ihr in der Mitte eine kleine Zeichnung. Die gehört zu einem Märchen: Der Teufel mit den drei goldenen Haaren. Die Brüder Grimm haben mir diese Geschichte vor langer Zeit erzählt. Auf dem Bild seht ihr, wie ein junger Müllersbursche ein Paket aus dem Mühlbach fischt. Er denkt - wie alle Menschen natürlich, dass er einen Schatz gefunden hat. Aber in dem Paket findet er ein Kind. Das hat der böse König ins Wasser geschmissen, weil die Leute in dem Dorf sagten: Das Kind ist mit der Glückshaut geboren; es wird mit vierzehn Jahren die Königstochter heiraten.

Aber weil das Paket nicht untergegangen ist, wird der Junge als Müllerskind groß und der König erwischt ihn ein zweites Mal, als es vierzehn Jahre alt ist. Er befiehlt den Müllersleuten, ihren Pflegesohn aufs Schloss zu schicken: „Der Junge soll der Königin dieses Schreiben überbringen.“ Und in diesem netten Brief hat der König reingeschrieben, dass die Königin den armen Kerl töten lassen soll. Da ist der Junge losgezogen und kam in einen einsamen Wald. Und statt sich da pudelwohl zu fühlen bei den Raben, Rehen und  Hirschen, geht der Unglückswurm zu einem Häuschen. Da sitzt ein altes Mütterchen drin, die will ihn eigentlich fortschicken. Hier gibt’s nämlich keine freundlich krächzenden Raben, sondern fürchterlich schimpfende Räuber. Aber weil er mutig und vor allem müde ist, legt er sich auf die Ofenbank und schläft.

Die Räuber kommen heim und klauen ihm den Briefumschlag. Sie lesen den Brief, in dem steht: Die Königin soll den Jungen umbringen. Und weil es Räuber sind, machen sie immer genau das Gegenteil von dem, was der König will. Der Räuberhauptmann malt einen neuen Brief, dass die Königin sofort den Jungen mit der Königstochter verheiraten soll. Dann schickten sie den Jungen fort und der heiratete die schöne Königstochter und so war alles wie im Märchen.

Als aber der König wieder heimkommt, will er natürlich den Schwiegersohn aus der Mühle, den er schon zweimal umbringen wollte, wieder loswerden. Er gibt ihm den Auftrag, die drei goldenen Haare des Teufels aus der Hölle zu holen. Und weil der Bursche mutig ist und ein gutes Herz hat, gelingt es ihm, des Teufels Großmutter auf seine Seite zu bringen: Er bekommt die drei Haare vom Teufel und noch ein paar gute Tipps, mit denen er auf der Reise anderen Leuten einen Gefallen tun kann.

So kommt er zu einem Fährmann. Der sitzt in seinem Boot und muss immer hin und her fahren. Er sitzt da schon lange und wartet drauf, dass endlich jemand anders die Leute übersetzt - und ihn ablöst. Der Junge gibt dem Fährmann den Rat der Teufelsgroßmutter, dass er nur die Ruderstange einem anderen in die Hand drücken muss und schon kann er an Land springen und ist frei.

In zwei Städten kann er mit seinen Ratschlägen direkt aus der Hölle den Menschen einen großen Gefallen tun und bekommt zur Belohnung ganz viel Gold geschenkt. Zuhause freut sich die Königstochter, dass sie ihren Mann wieder hat. Der König nimmt die drei goldenen Haare des Teufels, aber findet das andere Gold, das der Junge mitgebracht hat, viel spannender. „Woher hast du das Gold?“ fragt er ihn. „Du musst nur über den Fluss fahren, da liegt es wie Sand am Ufer.“ Und der König ist dumm wie ein Mensch: Das heißt, im Gegensatz zu uns Raben ist er habgierig und leichtgläubig. Er zieht gleich los, um sich das Gold zu greifen. Der Fährmann übergibt ihm die Ruderstange in dem Boot und hüpft gleich ans Ufer.

Und so sitzt der böse König heute noch an der Ruderstange. Denn kein Mensch möchte ihn ablösen. So hat er seine gerechte Strafe abgekriegt!
(Rabe seufzt)
Ach, ja: In Euren Märchen siegt das Glück über den Miesepeter, der Nette über den Bösen, der flotte Junge über den mächtigen Alten, Rotkäppchen über den Wolf, die sieben Geißlein über die Wackersteine und das Gute über das Böse! Wir, die anderen Geschöpfe dieser Erde wünschten uns, es ginge auch außerhalb Eurer Märchen gerecht zu: Wie Ihr miteinander und wie ihr mit dem umgeht, was ihr von der Natur noch übriggelassen habt.

Ich glaube, der, den Ihr hier feiert, fände das auch gut!
Krah.