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Am vierten Sonntag nach Trinitatis, einem Taufsonntag für Stephan und Sofie am 13. Juli 2003 ersetzt eine „Rabenweisheit“ die Predigt von Ralf-Andreas Gmelin:

Rabe pickt an einer Bibel herum.

Krah, komisches Buch, diese Bibel: Da kommen ständig nur Menschen vor. Und wenn dann endlich die Raben genannt werden, bekommen sie eins auf den Schnabel. Hier. Da steht’s! Im Lukasevangelium da wird den Menschen gesagt: „Seht die Raben an: sie säen nicht, sie ernten auch nicht, sie haben auch keinen Keller und keine Scheune, und Gott ernährt sie doch. Wie viel besser seid ihr als die Vögel!“ (Lk 12,24)
Wieso seid ihr besser, nur weil ihr Menschen seid? Aber wart mal, vorhin hab ich noch eine andere Stelle gefunden. Da werden die Raben nicht mit den Menschen verglichen, sondern auch noch mit den - krah - Tauben.

Wir, die schönsten schwarzen Raben werden mit dem grauen Ungeziefer verglichen, das hier in Wiesbaden überall auf den Bauwerken sitzt und überall seine Spuren hinterlässt. Bei eurer Fassadenreinigung müsst Ihr hauptsächlich abwaschen, was die lieben Tauben für denkmälergesetzt haben…
Aber wir Raben werden nicht nur mit diesen Tauben verglichen, sondern die Tauben werden uns auch noch vorgezogen! Ich lese Euch diese schreckliche Geschichte mal vor, damit Ihr wisst, warum ich so entsetzt bin: Es ist das Ende von der Geschichte, in der Noah und seine Familie zusammen mit ganz vielen Tieren in eine hölzerne Arche gestiegen ist, um vor einer schrecklichen Überschwemmung davon zu schwimmen.

Ende der Sintflut. Noahs Opfer. (1. Mose 8,1-14)
„Da gedachte Gott an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war, und ließ Wind auf Erden kommen, und die Wasser fielen. Und die Brunnen der Tiefe wurden verstopft samt den Fenstern des Himmels, und dem Regen vom Himmel wurde gewehrt. Da verliefen sich die Wasser von der Erde und nahmen ab nach hundertundfünfzig Tagen. Am siebzehnten Tag des siebenten Monats ließ sich die Arche nieder auf das Gebirge Ararat. Es nahmen aber die Wasser immer mehr ab bis auf den zehnten Monat. Am ersten Tage des zehnten Monats sahen die Spitzen der Berge hervor. Nach vierzig Tagen tat Noah an der Arche das Fenster auf, das er gemacht hatte, und ließ einen Raben ausfliegen; der flog immer hin und her, bis die Wasser vertrockneten auf Erden.“

Ihr müsst doch mal selbst sagen: Gibt es was Nützlicheres als Raben, die so viel Wind machen, dass davon die Überschwemmung abtrocknet? Aber nein. Nicht mit den  Raben geht die Sintflut zu Ende, sondern mit diesen krah - Tauben:

„Danach ließ Noah eine Taube ausfliegen, um zu erfahren, ob die Wasser sich verlaufen hätten auf Erden. Da aber die Taube nichts fand, wo ihr Fuß ruhen konnte, kam sie wieder zu ihm in die Arche; denn noch war Wasser auf dem ganzen Erdboden. Da tat er die Hand heraus und nahm sie zu sich in die Arche. Da harrte er noch weitere sieben Tage und ließ abermals eine Taube fliegen aus der Arche. Die kam zu ihm um die Abendzeit, und siehe, ein Ölblatt hatte sie abgebrochen  und trug's in ihrem Schnabel. Da merkte Noah, dass die Wasser sich verlaufen hätten auf Erden. Aber er harrte noch weitere sieben Tage und ließ eine Taube ausfliegen; die kam nicht wieder zu ihm.“

Um die Tauben dreht sich hier ständig alles. Dabei waren wir Raben die ersten, die aus der Arche Noah geflogen sind. Aber nachdem die Taube wegblieb, ging die Sintflut zu Ende:

„Im sechshundertundersten Lebensjahr Noahs am ersten Tage des ersten Monats waren die Wasser vertrocknet auf Erden. Da tat Noah das Dach von der Arche und sah, dass der Erdboden trocken war.“

Habt Ihr mal darüber nachgedacht, warum Noah überhaupt uns Vögel braucht? Warum er ohne uns- egal ob Rabe oder Taube aufgeschmissen wäre? Nein? Das liegt daran, dass Ihr nicht in der Arche wart: Ihr denkt Euch, dass die Arche Noah ein gemütliches Schiff war, mit Bullaugen und Sonnendeck. Weit gefehlt: Die Arche Noah war ein Holzkasten, der kein einziges Fenster hatte, sondern nur eine Luke. Und die ging oben auf das Dach hinaus. Und wenn Noah da hinaus schaute, konnte er ausschließlich den Himmel sehen. Am Himmel sieht man zwar sehr gut, ob es regnet oder nicht, aber wenn Ihr da hinauf schaut, habt Ihr keine Ahnung, ob das Wasser schon abgelaufen ist. - Und darum braucht Noah die Vögel. Uns eben! Krah. Und wir Raben haben wie wild mit den Flügeln geschlagen, bis wir müde waren, um das Wasser zu vertreiben. Leider stand es da noch ziemlich hoch. Sonst hätten wir Raben das Ästchen in die Arche gebracht. Aber nein: Dafür hat Noah die Tauben ausgesandt. Die Taube hat einen Ölbaum gefunden und einen Olivenzweig abgeknickt. Und weil Noah wusste, dass Olivenbäume ziemlich klein sind und nicht sehr hoch wachsen, konnte er von dem Ölzweig darauf schließen, dass jetzt nur noch ganz wenig Wasser da ist.

Aber die eigentlichen Pioniere bei der Erkundung der ablaufenden Wasser bei der Arche Noah waren trotzdem wir Raben. Wir sind schließlich zuerst rumgeflattert.

Aber ich wollte eigentlich was anderes erzählen: Nämlich, was die Sintflut mit der Taufe zu tun hat. Meint Ihr, das sind zwei Geschichten, die nichts gemeinsam haben? Denkt noch mal nach: Richtig: Beide haben mit Wasser zu tun. Die Sintflut wird von Gott auf die Erde geschickt, so wie die Hand von einem Pfarrer das Wasser auf den Täufling fließen lässt. Und die Älteren unter Euch kennen vielleicht noch das Lied von Bruce Low, wo es heißt, dass sich Gott die Menschen mit ihrem Treiben nicht länger anschauen will und darum sagt: „Ich schick ein bisschen Wasser und ich spül sie alle fort.“ Das heißt: Gott spült die Erde sauber von den bösen Taten der Menschen. Und nur der große hölzerne Kasten die Arche Noah wird von Gott bewahrt und sie landet trocken und wohlbehalten.

Ja, Krah und ich kann Euch sagen, dass Eure Vorfahren sich das mit der Taufe genau so vorgestellt haben. Die Menschen waren zur Zeit der Arche Noah böse. Dann schickt Gott Wasser und spült das Böse fort. Bei der Taufe schickt Gott Wasser, damit alles von einem Kind abgewaschen wird, was es böse macht. Und wenn es vom Bösen gereinigt ist, dann wird das Kind niemals von Gott fortgespült. Weil ja das Böse schon abgewaschen ist. Also verbindet die Taufe und ihr Wasser ein kleines Kind ganz fest mit dem, der alles Leben hervorbringt. Da werden wir Raben ganz neidisch: Unsere Rabenküken werden nämlich nie getauft.

Dass unsere beiden Täuflinge, Stephan und Sofie mit ihrer Taufe ganz fest verbunden sind, mit Gott, dass wünschen - glaube ich - alle hier in der Ringkirche.
Und ich bin ganz sicher: So wie Raben zu ihren Küken niemals „Rabeneltern“ sind, so ist Gott auch kein „Rabenvater“ von Stephan und Sofie!