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An Sonntag Invokavit ging die Predigt von Ralf-Andreas Gmelin aus von der Versuchung Jesu, nachdem er vierzig Tage und Nächte gefastet hatte (Matthäus 4, 1-11).

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem HERRn Jesus Christus.

Eine Geschichte aus dem Matthäusevangelium  führt uns auf einen einsamen Berg in Galiläa. Ringsum Wüste. Und ein Mensch, der sich selbst ausgesetzt ist: Keine Ablenkungen, keine Gespräche, keine Mahlzeiten, keine Lektüre. Nur die eigenen Gedanken, die Sehnsucht, Gott näher zu kommen und die Gaukeleien des Teufels:

Matthäus erzählt:
Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde.
2 Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn.
3 Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.
4 Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5. Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.«
5 Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels
6 und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Psalm 91,11-12): »Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.«
7 Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5. Mose 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«
8 Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit
9 und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.
10 Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5. Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.«
11 Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.

Herr, tu meine Lippen auf, dass mein Mund Deinen Ruhm verkündige.

Liebe Gottesdienstgemeinde,

ich nehme an, Sie haben sich für die nächsten vierzig Tage keine so harte Prüfung vorgenommen: Vierzig Tage draußen in der Hitze des Tages, vierzig Nächte in der Kälte der Dunkelheit. Nichts Essen, keine Gesellschaft, keine Gespräche.

Aber kleinere Prüfungen kennen wir alle, auch wenn sie für uns normalerweise nichts mit Gott, Christentum und Religion zu tun haben:
Schüler, die sich auf eine Klassenarbeit vorbereiten.Dieses Gefühl, heute Nachmittag mache ich nichts als Mathematik. Ich lege mir die richtigen Hefte und Bücher zurecht. Ich beschließe mich nicht ablenken zu lassen. Und dann versuche ich - mit wechselndem Erfolg - bei der Sache zu bleiben. Auch später als Student blieb mir diese Erfahrung treu: Bei Examensvorbereitungen und beim Vokabeln lernen, häufig überfiel mich die Schwierigkeit konsequent bei der Sache zu bleiben. Auf der einen Seite der eiserne Entschluss: Nichts anderes! Nur dies! Und dann dieses flatterige Gefühl, das meist aus der Bauchgegend aufstieg: Du könntest jetzt auch noch etwas Netteres machen. Für mich persönlich war es immer ein Alarmsignal, wenn ich mich beim Lernen bei dem Gedanken ertappt habe: Du könntest eigentlich jetzt mal die Fenster putzen. Da ich überhaupt nicht gern die Fenster putze, weiß ich, dass ich dann auf der höchsten Verführungsstufe angelangt bin.

Vielleicht kennen Sie noch ganz andere Prüfungen, die Sie sich selber auferlegt haben oder die ihnen das Leben zugespielt hat: Prüfungen, bei denen es einen guten Vorsatz oder einen bestimmten Plan gibt und durch die man dann durch muss. Unser Alltag ist voller kleiner und großer Verführungen, die oft genug unsere Konsequenz herausfordern. Wer sich auferlegt, weniger zu essen, keinen Alkohol zu trinken, die Schokolade wegzuschließen oder keine Gummibärchen mehr zu kaufen, der legt sich eine Prüfung auf.

Vielleicht liegt Ihnen die Frage auf der Zunge: Was haben meine Gummibärchen mit dem Jesus zu tun, der da vierzig Tage in der Wüste fastet? Ist es nicht an den Haaren herbeigezogen, wenn hier sieben Wochen ohne Schokolade mit den vierzig Tagen und vierzig Nächten verglichen werden, die Jesus gefastet hat. Das, was unsere eigenen Erfahrungen mit dem Jesus draußen in der Wüste verbindet, ist der, der zu Jesus dazukommt:
„Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.“

Egal, ob ich mir einen keinen Vorsatz fasse oder ob ich mir einen großen Plan vornehme, ich bin niemals davor gefeit, dass da plötzlich eine Stimme in mir laut wird, die mir dazwischen funkt:
„Was treibst Du hier eigentlich für einen Blödsinn?“
„Was strengst Du Dich an - bringt doch sowieso nichts!“
„Jetzt hör doch schon auf!“
„Mach Dich doch nicht lächerlich mit Deinen guten Vorsätzen!“

Ähnlich wie der Versucher bei Jesus draußen in der Wüste, nützt es gar nichts, wenn ich das erste Mal siege. Wenn ich auf solche Einflüsterungen hin nicht zusammenklappe, sondern eisern bei meinem Entschluss bleibe. Häufig genug folgt dann bald der nächste Angriff. Die Psychologie der Geschichte in der Wüste, scheint mir richtungsweisend: Der Versucher beginnt mit dem Naheliegenden: Mit dem Hunger im Bauch. Wer sich schon einmal einer konsequenten Fastenzeit unterzogen hat, kennt diese aggressive Krise. Wie eine scharfe Zurechtweisung bläht sich im Inneren ein Widerstand auf, der den Fastenplan leicht zunichte macht. Worin Jesus uns voraus ist, ist die Nähe Gottes, die ihm gegen den Versucher beisteht: Statt aus Steinen Brot zu hexen, verweist er darauf, dass Gottes Wort das Heil des Menschen bewirkt, auch wenn der Mund nichts zu kauen hat.

Der zweite Hieb, den der Versucher auf Jesus landen will, ist ein Spiel mit Allmachtsphantasien, die den meisten von uns auch schon seit Kindesbeinen vertraut sind. Bei kleineren Kindern haben Sie das sicherlich auch schon beobachtet: „Ich habe gestern eine Flasche Cola auf einen Sitz ausgetrunken.“ - „Das ist noch nichts: Ich habe drei Flaschen Cola hinter einander weg getrunken.“ - „Ich habe einen ganzen Kasten Cola ausgetrunken.“ Diese Allmachtsphantasie kann uns auch im Traum erscheinen, als Fähigkeit fliegen zu können, über die Landschaft zu schweben, die Dächer von oben zu betrachten, oder in Riesenschritten riesige Höhenunterschiede überwinden. Der Versucher trifft unsere Allmachtsphantasie mit seinem Vorschlag, dass Jesus doch den Engeln Befehl geben kann, ihn beliebig schweben zu lassen. Die phantastische Vorstellung, dass ich so wie so alles kann, kann leicht jede Konsequenz zerstören: Wenn ich mir einrede, Fasten ist doch kinderleicht. Ich brauche doch keinem beweisen, dass ich das kann. - Wer schon so weit ist, wird sich gleich eine Pizza bestellen. Dann hat der Versucher gewonnen. Jesus weiß, dass Gott Wunder tun kann, aber dass es eine Sünde ist, mit dem Wunder zu rechnen.

Der dritte Angriff nutzt die menschliche Machtgier: Macht ist ein merkwürdig faszinierendes Gift. Im Kleinen wie im Großen: Ob ich auf einen kleinen Hund Macht ausübe, auf einen Ehepartner, auf Mitarbeiter im Betrieb oder auf politische Strukturen: Es sind nicht nur Typen wie Saddam Hussein, die sich an ihrer Macht berauschen. Und an dieser Stelle zu verzichten, ist außerordentlich schwer. Wenn Morgen einer kommt und schlägt Dir vor, Chef zu werden anstelle des Chefs, dann fällt den meisten Menschen ein Nein sehr schwer. Dass die Macht etwas Teuflisches ist, dass hält uns diese dritte Verführung vor Augen. Wer nach Macht strebt, der kniet vor dem Teufel. Wohl dem, der in jeder Lebenssituation genau weiß, wann ihm der Teufel etwas vorgaukelt. Wohl dem, der wie Jesus weiß, dass wir nur einem Herrn dienen sollen - und zwar dem richtigen!

Die Versuchungsgeschichte Jesu endet hier mit einem verjagten Teufel. Und die Engel Gottes dienen diesem Jesus, gerade weil er sie nicht zu irgend etwas Teuflischem missbraucht. Unsere Versuchungsgeschichte geht im Unterschied dazu weiter: Wir werden weiterhin Angebote bekommen, die uns ins Schleudern bringen. Wir werden da und dort nicht sicher sein, ob wir nicht doch vor dem Falschen auf die Knie gegangen sind. Und wir werden Gottes Vergebung manches mal brauchen, weil wir erst hinter her gemerkt haben, dass wir der falschen Seite auf den Leim gekrochen sind.

Die Passionszeit, die Fastenzeit hat da ihre religiöse Tiefe, wo sie uns mit unserer Verführungsgeschichte konfrontiert: Wo sie uns unsere Verführbarkeit vor Augen hält und uns die Tricks des Versuchers bewusst macht. Darum ist es gleichgültig, ob ich mir vielleicht nur vornehme, auf Gummibärchen oder auf abendliche Knabbereien zu verzichten. Die Weisheit der alten Kirche wusste, dass auch kleine Fastenpläne uns mit der Größe und Gewalt dessen konfrontieren, der uns losreißen will von dem, der uns gemacht hat. Ich wünsche uns allen, dass wir in den kommenden sieben Wochen eine besondere Sensibilität dafür haben, welche Kräfte und Gewalten auf uns Einfluss nehmen.

Gott lass uns in Erinnerung an DEINE Passion aufmerksam werden für unseren Weg. Lass uns DEINEM Weg folgen und den Verführern widerstehen, denn dein Friede, welcher höher ist denn alle Vernunft, er bewahre unsre Herzen und Sinne in Christo, Jesu, Amen.