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Predigt über Lukas 2, 1-20 (1. Christtag 2002)

von Dr. Sunny Panitz

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!

Predigttext für diesen 1. Feiertag ist eben jene Geschichte, die wie keine andere zum Weihnachtsfest gehört. Ja sie ist Weihnachten und Weihnachten wird, wo sie gehört wird.
Der Predigttext steht im Evangelium des Lukas, im 2. Kapitel,
die Verse 1-20: Jesu Geburt

1 Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.
2 Und diese Schätzung war die aller erste und geschah zurzeit,
da Quirinius Landpfleger in Syrien war.
3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt.
4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war,
5 damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.
6 Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte.
7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde.
9 Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr.
10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird;
11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.
12 Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen:
14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.

15 Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat.
16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen.
17 Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war.
18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten.
19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.
20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Herr, tue auch meine Lippen auf, dass mein Mund deinen Ruhm verkündige.

Diese Geschichte von der Geburt des Gotteskindes ist unendlich oft gelesen und gehört, Tausende Male gemalt, in Tausenden Varianten gesungen, gespielt worden. Auswendig kennt man die Worte fast, ohne sie je bewusst auswendig gelernt zu haben. Mir ist beim Lesen und Hören immer die Lutherübersetzung meiner Kindheit im Ohr und eben so vertraut, dass ich stets in jenen alten Rhythmus der Worte und Sätze verfallen will. Man weiß, was kommt und erwartet, dass es kommt. So auch beim Krippenspiel, wenn Jahr um Jahr die Geschichte dargestellt wird. Es ist immer dasselbe Geschehen, immer dieselbe Geschichte. Die sie aber spielen und das Geschehen spielend nachvollziehen, sind immer wieder andere und sie geben dem Geschehen jeweils eigene Farbe und Klang, Aktualität und Besonderheit. Darum ist das Krippenspiel alle Jahre dasselbe und doch immer wieder neu, wie eben das Leben selbst. Menschen erzählen, spielen und malen sich immer selbst in die Gottesgeschichte hinein. Und Gott bedarf immer der Menschen, um seine Geschichte geschehen zu lassen.
So fällt beides zusammen in dieser Geschichte: die Liebe Gottes zu den Menschen
und die Sehnsucht der Menschen nach Gott.
Beides ist hier verwoben: göttliches Tun und menschliches Erwarten, himmlisches und irdisches Sein, Zeitlichkeit und Ewigkeit.

Darin liegt eines der vielen Geheimnisse dieses Textes.
Ich kann es nicht preisgeben, aber davon erzählen.
Das Geschehen, von dem die Geschichte handelt, ist zunächst einmal ein ganz alltägliches.
Was damals geschah, geschieht jeden Tag,
dass nämlich eine junge Frau oder ein Mädchen – sie war ja damals wohl erst vierzehn oder fünfzehn Jahre alt - ihr erstes Kind bekommt.
Und sie tat, was alle Mütter tun auf die eine oder andere Weise:
sie wickelte es in Windeln und legte es - in eine Krippe, nun ja, das ist ungewöhnlich. Aber wir wissen ja – sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Wir haben gelernt: Maria und Josef waren unterwegs auf einer Reise, sie sollen arm gewesen sein und haben in jener Nacht keine bessere Unterkunft gefunden. Kalt, Winter soll es gewesen sein.

Aber das ist schon menschliches Hinzutun, historisch ist das nicht belegt, weder die Zeit, noch der Ort, noch die Umstände der Geburt. Ungewiss ist das Jahr, historisch wahrscheinlicher ist, dass er vier Jahre früher oder später – ich weiß nicht so genau – geboren wurde. Das Datum der Feier der Geburt wurde im vierten Jahrhundert in Rom willkürlich auf den Tag des Festes des Sol Invictus gelegt, den Tag der römischen Sonnenwendfeier, so wurde es der 25. Dezember.
Die orthodoxen Kirchen des Ostens feiern Weihnachten zu einem ganz anderen Termin.
Jesus war wohl Rabbi aus Nazareth. Dass er aber in Bethlehem geboren wurde, nun ja, das wird erzählt, weil damit dann die Weissagung des Propheten Micha sich erfüllt, der gesagt hat:

Du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda,
aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei.

Ob er wirklich dort geboren wurde, weiß kein Mensch, auch nicht, wie er dahin gekommen ist. Ob es zu jener Zeit in Israel eine Volkszählung gegeben hat, darüber streiten sich die Gelehrten. Für unwahrscheinlich halten sie, dass sich dazu jedermann in die Stadt der Herkunft seiner Vorfahren begeben musste.

Historisch lässt sich also von alle dem nichts belegen, aber nichts ist unwichtiger als diese Feststellung, denn was geschah, geschieht ja an jedem Tag und wird Wahrheit immer und an allen Orten dieser Welt.

Die Geschichte lenkt den Blick zunächst auf das Alltägliche: Siehe, ein armes junges Mädchen bekommt ihr erstes Kind! Und dann lässt die Geschichte in dieser Alltäglichkeit das Besondere entdecken: Und siehe: sie spürt darüber die Gegenwart Gottes mächtig in sich. Sie sagt ja, entscheidet sich für dieses Kind, für ein Leben mit ihm, gibt sich selber hin, verliert sich an die Liebe zu ihm und darüber ändert sich das Leben für sie selbst - und für alle Welt.

Wahrzunehmen und zu begreifen, was das heißt, wäre schon viel, gewiss noch nicht alles, aber schon viel: Gott ist am Werk in der Geburt eines Menschenkindes und in seinem Dasein lässt sich Gottes Gegenwart fühlen und Gott selbst erscheint und lässt sich erkennen im Bild des Menschen: Das ist, was verkündet wird, nicht mehr, nicht weniger!

Wie soll man es anders erzählen, dass der Mensch Gottes Ebenbild ist, wie es besser zum Ausdruck bringen, als dass man anschaulich erzählt: dies Kind kommt her von Gott, der ist sein Vater?
Und Maria, armes Bauernmädchen, war seine Mutter.

 „Gottheit und Menschheit vereinen sich beide, Schöpfer, wie kommst du uns Menschen so nah.“

Und wird auch einer arm geboren, unter Obdachlosen, so ist er doch von Gott. Und wäre es kalt, und dunkle Winternacht, so könnte uns allen doch warm und Licht werden aus ihm, dem kleinen - großen Hoffnungsträger, der immer und überall auf der Welt geboren wird, selbst unter den widrigsten Umständen menschlicher Existenz wird ein Kind geboren: Hoffnungsträger Menschenkind, Gotteskind!
Und wenn er sie schon nicht zu gering achtete, so sollen auch wir die Menschen hoch achten und ihnen Würde geben und Liebe, gleichwie Gott es getan hat, als er einging in unsere menschliche Existenz und einer von uns wurde, dazu noch ein Armer.

Aber nicht nur, um uns die Würde des Menschen erkennen zu lassen, nicht nur, damit wir erkennen, dass Gott jedem Menschen - und wäre es der Ärmste und Allerverachtetste - Würde und Hoheit gegeben hat, ist er, Gott, so ein erbarmungswürdiges Kind geworden, sondern auch um sich selber darin zu erkennen zu geben, auf dass die Menschen staunend sagen: Ach, so ist Gott!
In einem Menschenkind ist Gott in die Welt gekommen, niedrig und gering, als ein menschlicher Gott, der unser Fleisch und Blut angenommen hat und daher unsere Existenz teilt.
Ein konkretes, wenn auch kurzes Menschenleben lang hat Gott durch Christus und in ihm gezeigt, nicht nur, was Menschsein heißt, sondern auch wie Gott wirklich ist. Sein Wesen ist Liebe, ist Zuwendung, Menschlichkeit, Hinwendung zum Menschenbruder, zur Menschenschwester, ist Gnade, Wahrheit, Vergebung. Er ist der König, der Heiland, der Retter, das hat im Sprachgebrauch jener alten Welt nicht nur religiöse, sondern auch politische Dimension. Es geht in seinem Kommen um Gerechtigkeit auf Erden und um Frieden in der Welt, aber es sind Gerechtigkeit und Frieden, die von Gott her sind.

Um das den Menschen, den Hirten zu verkünden und nahe zu bringen: werden die Engel und alle himmlischen Heerscharen bemüht. Himmel und Erde berühren sich auch da. Über diesem alltäglich scheinenden und doch einzigartigen Geschehen jener Nacht auf der Erde ist im Himmel Jubel ausgebrochenen und der Welt Heil angesagt:

Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. 12 Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.

Möge dieser Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft eure Herzen und Sinne bewahren im rechten Glauben zum ewigen Leben. Amen.