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Am 8. Sonntag nach Trinitatis ist im Taufgottesdienst von Constantin und Sarah die Predigt zu hören, die Ralf-Andreas Gmelin auf der Grundlage von Römer 6, 19-23 hält:
 

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.

Lasst uns hören auf die Worte der Heiligen Schrift, wie wir sie aufgezeichnet finden im Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom (6,19-23):

„Ich muß menschlich davon reden um der Schwachheit eures Fleisches willen: Wie ihr eure Glieder hingegeben hattet an den Dienst der Unreinheit und Ungerechtigkeit zu immer neuer Ungerechtigkeit, so gebt nun eure Glieder hin an den Dienst der Gerechtigkeit, daß sie heilig werden. Denn als ihr Knechte der Sünde wart, da wart ihr frei von der Gerechtigkeit. Was hattet ihr nun damals für Frucht? Solche, deren ihr euch jetzt schämt; denn das Ende derselben ist der Tod. Nun aber, da ihr von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden seid,
habt ihr darin eure Frucht, daß ihr heilig werdet; das Ende aber ist das ewige Leben. Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn.“

HERR, tu meine Lippen auf, dass mein Mund Deinen Ruhm verkündige.

Liebe Gottesdienstgemeinde,

wir sind im Vergleich zu der Zeit des Paulus doch ziemlich bescheiden geworden. Paulus verspricht das ewige Leben. Und wir? Ich glaube die meisten von uns sind schon zufrieden, wenn dieses eine irdische Leben einigermaßen gelingt. Wenn es uns nicht verzweifelt macht, wenn es uns nicht mit Krankheiten peinigt, wenn wir nicht durch unsere Mitmenschen bedrängt werden.

Was kommt zum Beispiel in unserer Bereitschaft zum Ausdruck, ein eben geborenes Kind zur Taufe in die Kirche zu tragen? Liebe Eltern und Paten, Hand aufs Herz: Haben sie vorhin an das ewige Leben gedacht - oder daran, dass diese Kinder behütet groß werden dürfen und hier in ihrer Haut, in ihrer Familie, in dieser Stadt und in diesem Land Heimat finden? Sie haben Ihre Antwort vorhin geben müssen. Jetzt müssen Sie nicht noch einmal antworten. Ich vermute mal, dass auch bei Ihnen das ewige Leben erst in einer ziemlich weit hinten liegenden Hirnwindung eine Rolle gespielt hat.

Die Bibel sieht das anders. Gerade Paulus verbindet die Taufe mit dem Tod! In dem selben Brief des Paulus an die römischen Christen, gibt es eine Stelle, bei der kann es einen fast frösteln, gerade wenn man zwei kleine Babies vor Augen hat, die eben getauft wurden. Im Römerbrief heißt es:

„Wißt ihr nicht, daß alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleichgeworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. Wir wissen ja, daß unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, so daß wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde.” (Röm 6,3-7)

Denken Sie auch so? Können wir Paulus folgen? Bin ich durch meine Taufe ein völlig neuer Mensch geworden? Einer der durch den Tod hindurch in ein neues Leben eingetreten ist? Bei Sarah und Constantin: Bevor wir wussten, wer diese beiden kleinen Menschen eigentlich waren, sind sie jetzt durch die Taufe neue Menschen geworden. Können wir das nachvollziehen, spüren, oder gar sehen? Die Frage stellen, heißt sie verneinen: Sarah und Constantin sehen noch genau so aus wie vor der Taufe, sie werden danach ebenso schreien und - auch die Windeln werden keinen Unterschied feststellen.

Was bedeutet die Taufe also uns heute? Wir hören noch einmal auf den Anfang des Predigttextes, dort sagt Paulus: „Ich muß menschlich davon reden um der Schwachheit eures Fleisches willen: Wie ihr eure Glieder hingegeben hattet an den Dienst der Unreinheit und Ungerechtigkeit zu immer neuer Ungerechtigkeit, so gebt nun eure Glieder hin an den Dienst der Gerechtigkeit, daß sie heilig werden.”

Auch wenn die steile Orientierung am ewigen Leben für uns nicht ganz leicht nachzuvollziehen ist, ist unsere Vorstellung von der Taufe eine im paulinischen Sinne „menschliche”, weil unsere religiöse Phantasie so schwach ist - oder wie Paulus sagt, am Fleisch hängt.

Das Leben ist für Paulus nicht teilbar: Da ein irdisches Leben und dort ein ewiges Leben. Das Leben ist das, was zur Sphäre Gottes gehört. Was in diese Sphäre des Lebens gehört, sollte rein und schuldlos sein, das heißt dem Leben zugewandt. In unserer irdischen Welt der Zwecke wird das Leben beschattet und besudelt von unseren Interessen. Damit meint Paulus alles, was nicht das Leben zum Ziel hat, sondern zum Selbstzweck geworden ist. So wird auch sein schroffes Verhältnis zum Tod verständlich: Wer nicht am Leben orientiert handelt, sündigt, verletzt damit die Regeln des Lebens und stärkt den Tod. Die Taufe auf den Tod von Jesus Christus gibt die Richtung eines neues Lebens an: Es zielt auf die Auferstehung, auf das österliche Licht, auf die Hoffnung, die gilt, auch wenn die Ungerechtigkeit nicht vergehen will, auch wenn Krankheiten und der Tod noch immer reiche Ernte halten. Wer vor dem Sterben keine panische Angst hat, der muss sich auch nicht in der Welt der Zwecke einmauern. Wer das Leben als ein unverwesliches Geschenk Gottes ansieht, der hat keine Angst vor dem Friedhof. Der muss sich auch nicht in jeder Minute überlegen, wie er den Rest vom Leben noch mit Lust und Spaß vollstopft. Der hat die Freiheit, sich an seinem Leben zu freuen und ebenso an dem Leben der anderen, der Mitmenschen, der Mitgeschöpfe und der ganzen Welt.

Am Freitag lief im Fernsehen eine Folge von Star Treck. Es ging um das ewige Leben.  „Die unendliche Weite des Alls ist die letzte Herausforderung des Menschen” hieß es in diesem Film. Wer diesen Satz unterschreibt, der hat vom ewigen Leben im Sinne des Christentums nichts verstanden. In dem Film wird dies wunderbar illustriert: Der Vulkanier Spock erlebt eine Wiederauferstehung. Eine Priesterin auf dem Stern Vulkan vollzieht einen geheimnisvollen Ritus. Und dann ist er wieder da. Aber nicht im Sinne einer von Gott auf Ewigkeit angelegte Verbundenheit mit dem Leben. Spock kehrt wieder und wiederholt seine alte Existenz noch einmal. Man könnte auch sagen, er ist ein „Wiedergänger” oder populärer: Ein Gespenst!

Die Taufe verspricht eine neue Existenz: Sie hat den Anspruch, uns fest mit Gott zu verbinden, der uns neu macht, damit wir nicht immer um uns selbst kreisen. - Damit wir nicht immer wieder das alte Leben wiederholen müssen. Und damit wir als Menschheit nicht immer die alten Fehler wieder neu machen.

Das bedeutet ein ewiges Leben vor Gott: Ein völlig neues und anderes Leben, das wir nicht unter Beschränkungen und Ängsten führen müssen. Ein ewiges Leben, das mit der Taufe seinen Anfang nimmt.

Constantins Taufspruch sagt uns, was das Kennzeichen ist für das Leben, das sich schon heute an der neuen Existenz orientiert: „Die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.”

Und Sarahs Taufspruch sagt uns, warum es für uns so schwer ist, die Quelle des Lebens in unserer bunten Welt zu entdecken: Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an.

Ich wünsche uns allen, aber besonders unseren beiden Täuflingen, dass es uns gelingt, Gottes Ja zum Leben und damit zu unserem eigenen Leben zu entdecken und dass wir ein solches Licht in das Dunkel unserer Zeit tragen, das Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit aufstrahlen lässt, denn der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, er bewahre unsre Herzen und Sinne in Christo, Jesu, Amen.