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Am Pfingstmontag, den 20. Mai 2002 geht die Predigt von Ralf-Andreas Gmelin von einer Geschichte aus, die in der Apostelgeschichte des Lukas (2, 22-39) steht. Darin wird der Pfingstgeist mit dem gesamten Gehalt des Evangeliums verbunden..

”Ihr Leute von Israel, hört diese Worte: Jesus von Nazareth, von Gott unter euch ausgewiesen durch Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wisst - diesen Mann, der durch Gottes Ratschluss und Vorsehung dahingegeben war, habt ihr durch die Hand der Heiden ans Kreuz geschlagen und umgebracht. ... Diesen Jesus hat Gott auferweckt; dessen sind wir alle Zeugen. Da er nun durch die rechte Hand Gottes erhöht ist und empfangen hat den verheißenen heiligen Geist vom Vater, hat er diesen ausgegossen, wie ihr hier seht und hört. ... So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat. Als sie aber das hörten, ging's ihnen durchs Herz, und sie sprachen zu Petrus und den andern Aposteln: Ihr Männer, liebe Brüder, was sollen wir tun? Petrus sprach zu ihnen: Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes. Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung, und allen, die fern sind, so viele der Herr, unser Gott, dazurufen wird."

DEIN Wort sei meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege, Amen.
 

Liebe Gottesdienstgemeinde,

„Die Kirche hat Geburtstag!” damit versuchte eine Weile lang - ich weiß nicht welche - Kirche, das öffentliche Image des Pfingstfestes aufzupolieren: Pfingsten mit positiven Gefühlen besetzen, in den Menschen das Bedürfnis nach einer fröhlichen Feier wecken, damit sie das Gefühl haben, dass Pfingsten irgend etwas mit Kirche, Feiern und Fröhlichkeit zu tun hat.

Bei mir hat das mit dem Kirchengeburtstag immer einen schalen Nachgeschmack hinterlassen: Irgendwie klebt bei mir dem „Geburtstag der Kirche” eine falsche Pappnase im Gesicht, in diesem Bild geht es um den äußerlichen Lärm von kindischen Tröten, Tortenwettessen und Sackhüpfen - statt um den Heiligen Geist.
Und das ist der Grund, warum ich die gelassene Andersartigkeit der Apostelgeschichte schätze. In diesem kurzen Bibelwort steht die trockene Wahrheit, dass im Pfingstfest die gesamte Existenz des Christentums verborgen ist. Wir erinnern uns:

„Jesus von Nazareth, von Gott unter euch ausgewiesen durch Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wisst - diesen Mann, der durch Gottes Ratschluss und Vorsehung dahingegeben war, habt ihr durch die Hand der Heiden ans Kreuz geschlagen und umgebracht. ... Diesen Jesus hat Gott auferweckt; dessen sind wir alle Zeugen. Da er nun durch die rechte Hand Gottes erhöht ist und empfangen hat den verheißenen heiligen Geist vom Vater, hat er diesen ausgegossen, wie ihr hier seht und hört.” ...

Hier wird kein Pfingstochse geschmückt, hier werden keine Kerzen aufgesteckt, hier wird keine festliche Kinderei begangen. Hier wird vom Wirken des Jesus Christus angefangen, an seinen Tod erinnert, seine Auferstehung beschworen und mit dem Heiligen Geist die Glaubensgeschichte unter den Christen in Gang gesetzt. Damit steht das Pfingstfest auch mit recht am Ende der festreichen Hälfte des Kirchenjahres. Es bündelt alles, was vom Ersten Advent bis zu Himmelfahrt mit Jesus Christus zu tun hat. Nächsten Sonntag, ab Trinitatis werden die Sonntage „durchgezählt”: Die vielen Sonntage nach Trinitatis, bevor das Kirchenjahr mit dem Ewigkeitssonntag schließt.

Die Hochfeste der Kirche haben indes alle ihre Probleme:
Der Heilige Abend rutscht in die Ecke eines sentimental hochgefährlichen Depressionsfests, wo von der Freude über einen neugeborenen Gott nichts mehr zu spüren ist. Ostern wird von Hühnchen, Häschen und Marienkäfern so überschwemmt, dass auch das stärkste Osterei vergisst, was es mit der Auferstehung Christi auf sich hat. Und Pfingsten? Pfingsten lädt zu frivolen Pferdewettbewerben, Pfingstregatten und Sportereignissen, es steht für viele für Kurzurlaub und Naherholung. Wofür es im Kirchenjahr als kirchlicher Feiertag eingetragen ist, das ist vielen Christenmenschen egal, weit weg und unerreichbar.

Wofür steht das Pfingstfest? Wofür steht der Heilige Geist?
Bei genauem Hinsehen bekommt der heilige Geist genau da eine wichtige Funktion, wenn das gesunde Volksempfinden sich mit Christen beschäftigt. Es ist immer wieder erstaunlich, dass unabhängig vom Bildungsgrad in unserem Volk ein fast diskriminierendes Bild von Christen vorherrscht: Christen rennen jeden Sonntag in die Kirche, Christen heucheln, weil sie einen Glauben vorgeben, den sie gar nicht haben und Christen sind überheblich und wissen alles besser.

Gegen diese Stereotypen, gegen diese immer wieder gern von der Fachpresse für den schlechten Volksgeschmacks - zum Beispiel der Bild-Zeitung- genährten Vorurteile ist indes ein „Kraut” gewachsen. Eben jener Heilige Geist, mit dem so mancher Christ Probleme hat.
Erinnern Sie sich an die Geschichte des Pfingstevangeliums? Jesus hat zu Petrus gesagt:
„Selig bist du, Simon, Jonas Sohn;
denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.
Und ich sage dir auch:
Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.
Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben.”

Was Petrus hier unumwunden gesagt bekommt, und erst damit wird er für Jesus zum Felsen, auf dem die Kirche stehen kann:
Du brauchst Dir nichts auf Deinen Glauben einbilden. Den hast Du von Gott geschenkt bekommen. Nicht Dein Fleisch und Blut sind für deinen Glauben verantwortlich, dann könntest Du jetzt platzen vor Stolz: Was bin ich doch für ein braver treuer Jünger dieses Jesus Christus!

Aber nein: Von Gott selbst geht der Glaube aus. Wenn Du glauben kannst, dann sei Gott dankbar und bilde Dir um Himmels Willen nichts darauf ein.

Das ist die Wirkung des Heiligen Geistes: Dass Menschen, die glauben können, sich eben nichts auf ihren Glauben einbilden.

Und damit ist ein Teil der Vorurteile, mit denen in Deutschland gegen Christen Stimmung gemacht wird, gerade ein sicheres Anzeichen, dass da der Heilige Geist fehlt. Der heuchlerische Frömmler, der sich seinen Glauben zugute hält und den Rest der Welt für einen verkommenen Schrotthaufen hält, der zeigt mit seinem Glauben, dass der Heilige Geist einen großen Bogen um ihn geschlagen hat. Und ich schließe hier ganz bewusst auch Nichtchristen ein. Wer aufgrund seiner Religion zu Arroganz und Glaubenseitelkeit kommt, hat entweder einen Gott der Eitelkeit und Arroganz oder er darf sich nicht auf den gleichen Gott beziehen, den wir Christen und Juden aus den Schriften unserer Bibeln offenbart bekommen.

Der heilige Geist, das Gottesgeschenk des Glaubens, wird darum eine zunehmend wichtige Bedeutung haben im Umgang der Religionen dieser Welt. Wo der Heilige Geist weht, da herrscht Offenheit, Gesprächsbereitschaft und Verständnisbemühung. Wo dieser Geist verdrängt ist von Eitelkeit und Arroganz, herrscht die Bosheit des menschlichen Herzens, die am Anfang vieles Schrecklichen steht. Ein Gedicht des Münchener Dichters Eugen Roth malt mit spitzer Feder den Stumpfsinn dieser schrecklichen Folgen an die Wand:

Ein Mensch, der, sagen wir als Christ,
Streng gegen Mord und Totschlag ist,
Hält einen Krieg, wenn überhaupt,
Nur gegen Heiden für erlaubt.
Die allerdings sind auszurotten,
Weil sie des wahren Glaubens spotten!
Ein anderer Mensch, ein frommer Heide,
Tut keinem Menschen was zuleide,
Nur gegenüber Christenhunden
Wär jedes Mitleid falsch empfunden.
Der ewigen Kriege blutige Spur
kommt nur von diesem kleinen „nur”...

Wir wissen, dass der Heilige Geist - nicht nur im Bereich des christlichen Glaubens aller Hände voll zu tun hat. Wir wissen, dass es auch unter Christen heuchlerische Frömmler gibt und selbstgerechte Neunmalkluge.

Aber wir wissen auch, dass Gott es nicht haben will, dass gerade die Menschen des Glaubens die blutige Spur von Intoleranz, Hass und Krieg hinterlassen. Darum ist der heilige Geist als Geist des Friedens und der Offenheit so wichtig und darum wünsche ich uns allen ein Pfingstfest, an dem uns der Geist Gottes bewegt. Petrus fordert uns in der Apostelgeschichte zur Umkehr auf, er wünscht sich, dass mit unserer Taufe die Vergebung unserer Sünden verbunden ist und er wünscht uns, dass wir die Gabe des heiligen Geistes empfangen.

Komm, DU Geist der Wahrheit,
erfüll uns mit DEINEM Licht
denn DEIN Friede, der höher ist denn alle unsere Vernunft,
er bewahre unsre Herzen und Sinne in Christo Jesu, Amen.