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Predigt am 20.Sonntag nach Trinitatis, 28.Oktober 2001
zum Sabbatgebot bzw. zur Heiligung des Feiertags


Gnade sei mit uns und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.

Liebe Gemeinde, der Predigttext für diesen 20. Sonntag nach Trinitatis steht im Markusevangelium, im 2. Kapitel, in den Versen 23-28.

Als er am Sabbat durch ein Kornfeld ging, fingen seine Jünger an, während sie gingen, Ähren auszuraufen. Und die Pharisäer sagten zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was man nicht darf? Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und Hunger hatte und die, die bei ihm waren auch: wie er zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar in das Haus Gottes ging und die Schaubrote aß, die niemand essen darf als nur die Priester, und wie er sie auch denen gab, die bei ihm waren?
Und er sagte zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.
So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.

Herr, tue meine Lippen auf, dass mein Mund deinen Ruhm verkündige.

So also ist er gemeint und geschaffen, der Mensch, männlich und weiblich, der Menschensohn und also freilich auch die Menschentochter, nicht etwa dazu, in Knechtschaft und Abhängigkeit zu leben, sondern – „Ihr seid teuer erkauft“, von Gott geliebt und erwählt und - dazu erlöst, in Freiheit und Würde zu leben.
Davon weiß das schöne Lied, das wir zum Eingang gehört haben „Sehet, sehet, welche Liebe hat der Vater uns gezeigt“, und davon handeln die Lieder, die sie singen wird und davon weiß der 8. Psalm, den ich gelesen habe, der die Hoheit des Menschen besingt:

Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott,
mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt,
hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk,
alles hast du unter seine Füße getan: Schafe und Rinder allzumal,
dazu auch die wilden Tiere, die Vögel unter dem Himmel
und die Fische im Meer und alles, was die Meere durchzieht.

Nicht zur Unterwürfigkeit sind sie geschaffen oder bestimmt, sind nicht Diener, nicht Sklavin, nicht Knecht oder Magd, sondern schließlich und endlich in Jesus Christus und durch ihn frei vom Gesetz und Herr auch über den Sabbat. Jesus hat es selbst gesagt: So ist der Menschensohn also ein Herr auch über den Sabbat.

Der Mensch: Herr über den Sabbat, den Sonntag?!
Da haben die Konfirmandinnen und Konfirmanden in der letzten Woche gerade das dritte Gebot gelernt - das dritte Gebot –
das kennen Sie doch noch: „Du sollst den Feiertag heiligen!“

8 Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest.
9 Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun.
10 Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt.
11 Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn. (aus 2.Mose 20)

Ahnung haben wir noch, dass das Gebot, den Sabbat zu halten für die Menschen zur Zeit Jesu und für uns, den Sonntag zu heiligen eines der wichtigsten ist. Ahnung davon haben wir wohl noch, wenigstens im Grunde unseres Herzens, zumindest einige von uns, wenn auch dieses tiefe und alte Wissen uns in den letzten jahrzehnten schrecklich überlagert und übertönt wurde, wie von Marktschreiern überschrieen, die meinen, es wäre doch den Menschen egal, welcher Tag arbeitsfrei ist und uns ausgerechnet den Sonntag nun immerhin schon bis zu viermal im Jahr als idealen Tag für Konsum, Shopping und Erlebniseinkauf anpreisen.
Abgesehen davon, dass es - und das hat auch die öffentliche Debatte über den verkaufsoffenen Sonntag in Wiesbaden gezeigt, dass es - eine ganze Reihe bedenkenswerter wirtschaftlicher und sozialer Argumente gegen seine Einführung gibt, ist hier, in der Kirche, im Gottesdienst, unter Christen zu fragen, wie aus christlicher Sicht und aus der Sicht Jesu Christi der Sabbat gemeint ist – und dazu dient ja diese Textstelle hier vom Ährenraufen der Jünger am Sabbat in idealer Weise. Und es hat die Predigt zu sagen, wozu Gott ihn gesetzt hat.

Der Sabbat, der Sonntag ist der heilige Tag, Zeichen für den Anbruch des Reiches Gottes, Zeit, in der seine Gegenwart in besonderer Weise erfahren wird. Die Arbeit ruht. Es ist ein Tag der Besinnung auf Gott, damit er sich erneut auf uns Menschen besinne, die sich all zu gerne und oft von ihm abwenden.

Aber es geht nicht nur um diesen Tag. Es geht im Halten des Sabbats grundsätzlich um das Halten Gesetzes. Steht doch der Sabbat gleichsam für die Summe aller Gebote. Und wie die Menschen, wie die Gesellschaft den Sabbat, den Sonntag begeht, daran kann man ablesen, wie und woraufhin sie sich orientiert und woran sie ihr Herz hängt, was ihr Gott ist. Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott. So hat Luther formuliert. Das kann freilich die Hinwendung zum Gott des Konsums sei, die Wallfahrt zu seinen Tempeln innerstädtischen Tempeln allezeit, als würden die Menschen wirklich satt von den reichen Gütern der Kaufhäuser. Es gibt sicherlich einige, denen das raue Leben wenig mehr als nur noch diesen Spaß, fun, den Kaufrausch als Erlebnis gelassen hat und es ist ihnen schwer, sich dem Diktat der Werbung und der Massen nicht zu beugen, die doch am verkaufsoffenen Sonntag alle gegangen sind und wieder gehen werden. Aber mir wäre das nicht genug und auch Christus hatte andere Vorstellungen und ein anderes Bild vom Menschen als er sagte: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn Herr über den Sabbat.

Das heißt der Mensch kommt vor dem Sabbat, und er steht über dem Gesetz. Nicht dient er diesen, sondern diese dienen ihm.
Das muss man recht bedenken und verstehen: aus christlicher Sicht, aus der Sicht Jesu Christi ist der Menschen zur Freiheit berufen und bestimmt, teuer erkauft und erwählt von Gott und nicht dazu erlöst, dass er wieder unter ein neues oder anderes Joch der Knechtschaft fällt, das Menschen gerne Menschen auferlegen.
Jesus Christus hat den Menschen befreit von der Knechtschaft unter dem Gesetz, das ja Inbegriff seiner jüdischen Religion war und ist. Er hat gesagt – und wir haben es gehört und kein Wunder, dass sie ihn dafür getötet haben - Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.
Nicht muss der Mensch dem Gesetz dienen und der Religion, nein anders herum wird ein Schuh draus: Der Sabbat, das Gesetz und die Religion sind dazu da, dem Menschen zu dienen. Der Menschensohn ist ein Herr auch über den Sabbat und er soll sich von ihm dienen lassen.

Und wie könnte er, der uns befreit hat von dem Zwang des Gesetzes und von der Gesetzlichkeit der Religion, ihren Angst machenden und traumatisierenden Kräften und sogar sein Leben dafür gegeben hat, dass wir frei davon werden, wie könnte er uns entlassen unter das Joch irgendeiner anderen Knechtschaft, sei es eine politische Ideologie, eine Moral oder das Diktat der Werbung und des Marktes. Natürlich muss es das alles geben: eine verfasste Gestalt des Glaubens, Gesetze, die unser menschliches Zusammenleben regeln, von mir aus auch Werbung und die Gesetze des Marktes, aber es muss klar sein und darüber haben wir als Anwälte des Leben und Boten unseres Gottes zu wachen und es den Menschen immer wieder deutlich zu sagen, dass diese nicht dazu gesetzt und berufen sind, Menschen zu verführen, auszubeuten oder zu knechten, sondern allein, zu ihrem Wohl und um ihnen zu dienen.
Und darum ist die entscheidende Frage heute: Was nutzt dem Leben und der Liebe und der Freiheit des Menschen,
was dient seinem Wohl?

Wenn es am Sabbat erlaubt ist, durch die Felder zu streifen und Ähren zu raufen, warum dann nicht auch durch die Geschäfte, um ein Schnäppchen zu jagen? Darum geht nun die Auseinandersetzung der Freigelassenen der Schöpfung.
Was nutzt dem Leben und der Liebe und der Freiheit des Menschen, was dient seinem Wohl?
Aus christlicher Sicht ist die Antwort auf diese Frage nicht der Beliebigkeit und dem Individualismus überlassen.

Gott hat diesen heiligen Tag der Ruhe und Rast gestiftet und den Menschen geschenkt, damit sie nicht untergehen in ihren Umtrieben, in der Hektik und dem Lärm und dem Einerlei des Alltags.
Gott hat den Menschen den Feiertag geschenkt zu Besinnung und Andacht, um zu ihm zu kommen und dabei zu sich selbst, uns heute auch zum Hören von schöner Musik, die tröstet, die den Moment und damit das Dasein verzaubert und uns wegführt und hineinführt und bestärkt in Hoffnung auf eine bessere kommende Welt.
Wo das geschieht, da ist Gott und da will ich sein, denn da ist Geborgenheit, die ich suche, Freiheit, die ich ergreifen will und der Trost seines Wortes, den ich brauche, von ganzer Seele und mit allem, was ich habe und bin. Da und nirgends anders will ich sein.

So heißt es nun auch im Rheinberger Lied, das wir hören:


Ich bin des Herrn, wo soll ich anders hin?
Mein Jesus nur hat ew’ge Lebensworte.
Hang ich an ihm, blickt meine Seel auf ihn,
so öffnet Gott mir seine Friedenspforte,
und se’lges Licht umgibt mich nah und fern: Ich bin des Herrn!



Möge dieser Friede Gottes, der höher ist als menschliche Vernunft uns Herzen und Sinne bewahren und führen im rechten Glauben zum ewigen Leben. Amen.

Rheinberger Lied „Ich bin des Herrn, wo soll ich anders hin“ (gesungen von E. Schmitz, Wiesbaden)

Ich bin des Herrn, wo soll ich anders hin?
Mein Jesus nur hat ew’ge Lebensworte.
Hang ich an ihm, blickt meine Seel auf ihn,
so öffnet Gott mir seine Friedenspforte,
und se’lges Licht umgibt mich nah und fern: Ich bin des Herrn!

Ich hin des Herrn! Er, der die Sünder liebt,
tritt vor mein Herz mit seinen Todeswunden;
er, der durch sie nun freie Gnade gibt,
der süße König aller Freudenstunden,
will auch mein König sein; das hör’ ich gern: Ich hin des Herrn!

Ich bin des Herrn! O Liebe, du bist groß,
du Trägerin der Gottesmajestäten.
Auf ew’ges Glück gefallen ist mein Los.
Dich will ich lieben, preisen und anbeten,
und jauchzen nach dem Tod von Stern zu Stern: Ich bin des Herrn.