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Am Sonntag Oculi, den 19. März 2006, feierte die Ringkirchengemeinde mit vielen Kindern, Eltern und Paten einen Tauferinnerungsgottesdienst. Ralf-Andreas Gmelin (RAG) versuchte eine Ansprache zu halten, bei der ihm ein Rabe mit der Stimme von Kantor Hans Kielblock ins Wort fiel:



Liebe Kinder, liebe Erwachsene,

erinnert ihr euch an das kleine Wunder am Anfang? Ein winziges Stückchen Schokolade kann eine große Wirkung haben. Und wenn wir nicht alle ein riesiges Stück wollen, dann reicht eine einzige Tafel für eine ganze Kirche voll Menschen.

Rabe: Krahh, was erzählst du denn schon wieder?

RAG: Ah, Du da oben. Ich habe gerade so richtig bemerkt, dass ganz viele Menschen etwas bekommen können, wenn jeder nicht so gierig ist wie ein schwarzes Rabenvieh!

Rabe: Wie: Ich gierig? Was meinst du denn?

RAG: Stell dir vor: Du hast die Wahl zwischen zwei Vogelhäuschen: In dem einen bekommst Du ein riesiges Stück Schokolade für dich. In dem anderen kriegst du nur ein kleines Stück, triffst aber ganz viele Raben, die auch ein winziges Stück kriegen. Welches Vogelhäuschen würdest du nehmen?

Rabe: Ist doch klar: Selber fressen macht fett. Ich gehe erst in das Vogelhäuschen mit der großen Tafel Schokolade und dann gehe ich zu dem anderen und hole mir da noch mein kleines Stück Schokolade!

RAG: Na, ja. Wenigstens muss ich kein schlechtes Gewissen haben, dass ich Vorurteile gegen Raben hätte! Offenbar haben die Raben gerade nicht aufgepasst, als Gott uns Menschen gezeigt hat, wie das geht, dass alle satt werden.

Rabe: Hab ich etwas verpasst?

RAG: Ja klar: Die Geschichte, dass Jesus mit zwei Fischen und fünf Broten 5000 Menschen satt bekommen hat!

Rabe: Das meine ich nicht.

RAG: Wie, das meinst du nicht?

Rabe: Du willst mir doch nicht vormachen, dass es eine Geschichte gibt, durch die alle Menschen zu freundlichen Menschen werden, die ihr letztes Brot teilen?

RAG: Doch, die Geschichte gibt es.

Rabe: Aber die Menschen gibt’s nicht, die sich danach richten. Im Vergleich zu uns Raben seid ihr Menschen doch viel gieriger.
Frag doch mal die Kinder, ob sie nicht viel lieber eine ganze Tafel Schokolade bekommen hätten, statt mit anderen zu teilen!

RAG: Nein, ich frage die Kinder nicht. Vielleicht hast du ja Recht. Aber gierige Menschen sind kein Wunder. Das Wunder ist, wenn Menschen miteinander teilen und merken, dass das etwas Kostbares, etwas „Wundervolles“ ist.

Rabe: Und wie geht jetzt Deine Wundergeschichte?

RAG: Jesus war draußen am See Genezareth. Und weil es immer mehr Leute wurden, ist er mit ihnen ziemlich weit weg vom nächsten Dorf gewesen. Dort draußen gabs nichts zu essen.

Rabe: Also: Eine fürchterliche Gegend. War das auf dem Nordpol? Wir Raben finden überall etwas.

RAG: Nein das war wie schon gesagt in Israel am See Genezareth. Und nicht auf dem Nordpol. Die Freunde von Jesus kamen nun und sagten zu ihm: Hör mal, schick die Leute weg, damit sie sich etwas zu essen kaufen. Sonst kriegen die nichts zum Abendessen.

Rabe: Ist doch nicht schlimm: Im Winter müssen wir manchmal drei Tage hungern!

RAG: Jesus wollte aber, dass seine Freunde etwas bekommen. Auch, wenn’s 5000 sind.

Rabe: Fünftausend Menschen? Die fressen einem echt das Gefieder vom Kopf…

RAG: Alles was die Freunde hatten, waren fünf Brote und zwei Fische. Und die Bibel erzählt wie es weiter ging (Mk 6,41-43):
Jesus nahm die fünf Brote und zwei Fische
und sah auf zum Himmel,
dankte und brach die Brote
und gab sie den Jüngern,
damit sie unter ihnen austeilten,
und die zwei Fische teilte er unter sie alle.
Und sie aßen alle und wurden satt.
Und sie sammelten die Brocken auf, zwölf Körbe voll, und von den Fischen.

Rabe: He, und wenn ich mit 5000 Raben fünf Tafeln Schokolade teile, dann kriege ich 12 Körbe voll mit Schokolade? Echt klasse!

RAG: Na ja, ich fürchte, ich muss dich enttäuschen. Jesus war kein Zauberer und er hat uns auch nicht beigebracht wie wir zaubern können.

Rabe: Was hat er uns denn sonst beigebracht?

RAG: Dass wir nicht ständig Angst haben sollen, dass wir zu kurz kommen!

Rabe: Und wie wird daraus Schokolade?

RAG: Wenn du keine Angst hast, dass die anderen mehr abkriegen als du, dann bist du nicht so gierig und kannst mit Freuden teilen, was du sonst an dich reißt.

Rabe: Die Wahrheit heißt also: Ich kriege auf jeden Fall weniger Schokolade, aber ich ärgere mich auch weniger?

RAG: Vielleicht sogar noch mehr: Du kriegst weniger Schokolade, aber du freust dich, dass es Schokolade gibt und dass sie auch für die anderen reicht.

Rabe: Das wäre ein ziemlich großes Wunder!

RAG: Was?

Rabe: Wenn ich mich freue, dass ich weniger kriege!

RAG: Ich fürchte, da geht es Raben und Menschen ähnlich. Aber: Einen Versuch ist es wert.

Rabe: Vielleicht müssen wir Raben doch nicht so sein wie Ihr Menschen: Wir sind lieber gierig, denn Gönnen ist so schwierig! Krahh

RAG: Ja, nicht nur für Raben ist es schwierig: Auch wir Menschen haben immer Angst, dass wir zu wenig abkriegen könnten. Darum geschieht viel Unrecht in der Welt. Deswegen solle die Geschichte von dem großen Wunder, dass 5000 Menschen satt geworden sind, ansteckend wirken für die ganze Menschheit. Wenn wir von ihr Gelassenheit lernen würden, dann würde diese Welt ein bisschen gerechter. Ich bin sicher: Dies wäre ein Wunder, das Gott wundervoll fände! Amen.