Im
Taufgottesdienst am 2. Sonntag nach Epiphanias, am 15. Januar geht es
Ralf-Andreas Gmelin um die Wahrheit Gottes, wie sie Paulus an die
Gemeinde in Korinth mitteilt (1. Kor. 2, 1-10):
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem HERRn
Jesus Christus.
Was halten Christen für heilig, was
unterscheidet sie vom Rest der Welt? Paulus gibt uns eine Antwort in
seiner Predigt, die er an die Christen in der griechischen Hafenstadt
Korinth richtet (1.Kor 2,1-10):
„Auch ich, liebe Brüder, als ich
zu euch kam,
kam ich nicht mit hohen Worten
und hoher Weisheit,
euch das Geheimnis Gottes zu
verkündigen.
Denn ich hielt es
für richtig,
unter euch nichts
zu wissen
als allein Jesus
Christus, den Gekreuzigten.
Und ich war bei euch in Schwachheit
und in Furcht und mit großem
Zittern;
und mein Wort und meine Predigt
geschahen nicht mit überredenden
Worten menschlicher Weisheit,
sondern in Erweisung des Geistes und
der Kraft,
damit euer Glaube nicht stehe auf
Menschenweisheit,
sondern auf Gottes Kraft.
Wovon wir aber reden,
das ist dennoch Weisheit bei den
Vollkommenen; nicht eine Weisheit dieser Welt,
auch nicht der Herrscher dieser Welt,
die vergehen.
Sondern wir reden von der Weisheit
Gottes,
die im Geheimnis verborgen ist,
die Gott vorherbestimmt hat vor aller
Zeit
zu unserer Herrlichkeit,
die keiner von den Herrschern dieser
Welt erkannt hat;
denn wenn sie die erkannt
hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht
gekreuzigt.
Sondern es ist gekommen,
wie geschrieben steht (Jesaja 64,3):
»Was kein Auge gesehen hat
und kein Ohr gehört hat
und in keines Menschen Herz gekommen
ist,
was Gott bereitet hat denen, die ihn
lieben.«
Uns aber hat es Gott offenbart
durch seinen Geist;
denn der Geist erforscht alle Dinge,
auch die Tiefen der Gottheit.
Herr, tu meine Lippen auf, dass mein Mund Deinen Ruhm verkündige.
Liebe Gottesdienstgemeinde,
was bedeutet es, dieses Wort "heilig"?
Dir ist wirklich nichts heilig!
Das muss sich mancher sagen lassen – meist mit Recht!
Aber wissen wir darum, was im Hinblick auf die Heiligkeit des Glaubens
Gewicht hat?
Die Bibel schildert ein Erlebnis, das uns in Gottes Heiligkeit stellt.
Wir begeben uns dafür in die Bergwüste des Sinai. Steine
liegen umher, Berge ragen steil auf, im Tal nur karge Halme. Dort
weiden Schafe. Wer sie hütet ist Mose.
Schafhirte ist kein sehr spannender
Beruf. Meist geschieht nichts. Du stehst herum, hältst die Augen
offen, schaust, dass die Tiere beisammen bleiben. Nur wenn ein Raubtier
kommt, dann musst du sofort alle Sinne beieinander haben. Wenn ein
Bär oder eine Löwe kommt, dann kostet es dich entweder ein
Tier oder dein Leben. Darum musst du die Augen offen halten, auch wenn
dir die Zeit lang wird.
Mose entdeckt in dieser stillen Langeweile der Landschaft etwas
Überraschendes. Etwas, das sonst nicht da ist. Dort wo sich sonst
das immer gleich Bild von Steinen, Bergen und Halmen wiederholt, sieht
er eine Flamme. Sie verbrennt einen Busch. Neugierig nähert er
sich, will es genau wissen.
Ein Feuer das brennt, aber nicht verbrennt. Ein Feuer, das brennt wie
die Leidenschaft: Es zerstört nicht, aber es bringt gewaltige
Flammen hervor, die sogar noch in der sengenden Sonne leuchten.
Als er schon nah bei der knisternden Flamme ist, hört er eine
Stimme, „Mose!“. Die Stimme Gottes befiehlt: "Komm nicht näher,
bevor Du nicht Deine Schuhe ausgezogen hast. Denn dieser Ort ist
heilig."
Mose lernt hier in der Wüste Gott kennen. Nicht auf einer
gemütlichen Kirchenbank in einer zentralgeheizten Kirche, sondern
da, wo das Leben jederzeit von Löwen und Bären bedroht ist,
wenn nicht die sengende Sonne dich vertrocknet oder ein Regenguss in
Minuten das Tal in einen reißenden Wasserfall verwandelt.
Er erfährt Gottes Namen und er verhüllt sein Gesicht, weil er
den Anblick des Heiligen fürchtet. Zur Grundbedeutung von
"heilig" gehört so etwas wie "Finger weg!" In diesem Falle bei
Mose in der Wüste: "Schuhe aus!" Das, womit du sonst im Staub
stehst, womit du dich gegen Schlangen und Felsspitzen schützt,
womit du Steine wegkickst, das gehört nicht in die göttliche
Sphäre. Wenn du heiligen Boden betrittst, dann setz dich diesem
Ort ungeschützt aus, mit nackter Sohle.
Was heilig ist, das ist Eigentum Gottes. Es gehört nicht dir. "Du
sollst den Feiertag heiligen", ist in diesem Sinne eindeutig: Was mit
Gottes Tag geschieht, soll nicht in deinem Belieben stehen. Auch wenn
der Gott des Geldes noch so zürnt, weil er alles seinem
gefräßigen Kommerz einverleiben will.
Für das Heilige legt Gott die Spielregeln fest, da hast du nicht
daran zu fummeln. Für das Heilige gilt der Befehl: Manipuliere
nicht. Das Heilige sollst du nicht deinen Interessen unterordnen,
sollst es nicht missbrauchen, es nicht in deine Sphäre zerren.
Von diesem heiligen Ort inmitten der Bergwüste des Sinai schauen
wir noch einmal auf die Worte des Paulus: Paulus distanziert sich von
denen, die politisch klug und korrekt sind: Die Typen, die mit hohen
Worten und hoher Weisheit sich selbst inszenieren. Die, die meinen, sie
könnten mit blasierter Arroganz bis in das Geheimnis Gottes
eindringen.
Paulus muss da alle Luft aus sich heraus lassen, weil das Heilige
allein Gottes Heiligkeit ist. Und die Heiligkeit Gottes zeigt sich uns
Christen am Kreuz. Der gemordete Gott ist kein aufgeblasenes Pathos,
sondern Ausdruck von Heiligkeit, die unserer Welt entgegensteht. Und
wir wissen uns verbunden mit einer der beiden ersten Predigten, die in
der Ringkirche gehalten wurden und deren biblischer Text genau dieses
Pauluswort war und darum auf Goldgrund geschrieben in unserer Sakristei
hängt:
„Denn ich hielt es
für richtig,
unter euch nichts
zu wissen
als allein Jesus
Christus, den Gekreuzigten.“
Und Paulus erläutert uns, was das konkret bedeutet, wenn wir Jesus
Christus, den Gekreuzigten in unserem Leben heilig halten:
Sei bei deinem Nächsten, wenn er sich erbärmlich fühlt,
wenn die Furcht ihn packt, und wenn ihn das Zittern ankommt; wenn
du über das redest, was dir heilig ist, dann überfahre dein
Gegenüber nicht mit überredenden Worten menschlicher
Weisheit. Du musst ihm klarmachen, dass der Geist Gottes in dir wirkt.
Zeige ihm die Kraft Gottes. Denn unser christlicher Glaube ist nicht
das Ergebnis von angestrengtem Nachdenken unserer Menschenweisheit,
sondern er beruht auf Gottes Kraft.
Und hier zeigt uns Paulus dieselbe Quelle der Heiligkeit, wie wir sie
in der Wüste am brennenden Dornbusch gesehen haben: Die Weisheit
Gottes ist im Geheimnis verborgen. Ich sehe nicht, warum der Busch
brennt und ich kann auch nicht sagen, warum ich davon überzeugt
bin, dass Gott da ist und durch mich wirken möchte. Gott hat
vorherbestimmt wie er unter uns wirkt.
Die Heiligkeit Gottes zeigt sich im Geheimnis,
wie geschrieben steht (Jesaja 64,3):
»Was kein Auge gesehen hat
und kein Ohr gehört hat
und in keines Menschen Herz gekommen
ist,
was Gott bereitet hat denen, die ihn
lieben.«
Die menschliche Vernunft zerlegt alles, weiß viel und lehnt sich
gegen Gottes Geheimnis auf. Sie kann niemals in dieses Geheimnis
vordringen. Nur die Menschen, durch die Gottes Geist wirkt, sie
spüren, dass Gott sich offenbart. Wenn ich glaube, dass sich im
Kreuz Jesu Christi die Heiligkeit Gottes zeigt,
dass sich in diesem Augenblick das Geheimnis Gottes offenbart, denn
spüre ich die Wirkung des Heiligen Geistes. Dieser Geist erforscht
alle Dinge, bis in die Tiefen der Gottheit.
Die Taufe ist ein sprechendes Symbol für dieses Heilige. Durch die
Taufe wird uns Christen mitgeteilt, dass ein Mensch nicht uns Menschen
gehört. Wer sein Kind taufen lässt, akzeptiert, dass es
Eigentum des Heiligen ist und damit auch etwas Heiliges annimmt, an dem
der elterliche Wille nicht herummanipulieren darf. Wer sich selbst
taufen lässt, begibt sich in die Hand Gottes, die mit mir macht,
was Gott will, nicht was ich vielleicht möchte.
Auch gefaltete Hände sind ein gutes Zeichen für den Umgang
mit dem Heiligen. In dem Augenblick, wenn Christen mit dem Heiligen in
Verbindung treten, binden sich die gefalteten Hände gegenseitig:
sie bleiben unter Kontrolle. Beim Beten verlasse ich mich auf die
Größe des Heiligen, darauf, dass SEIN Tun die Welt
verwandelt - und auch mich.
In den gefalteten Händen steckt etwas von „Zieh deine Schuhe aus“,
etwas von „Finger weg!“
Wo die Heiligkeit Gottes wirkt, sollst du nicht meinen, du
dürftest auf gleicher Ebene mitmischen.
So macht Glaube demütig, weil ich erkennen muss, dass meine Kraft
nicht reicht, angesichts der Heiligkeit Gottes zu handeln.
In einer Zeitungskolumne nach dem Motto „Wie werde ich erfolgreich und
wie fördere ich meine Karriere, stand ein prachtvolles Beispiel,
wie die Welt ihre Gesetze gegen Demut und Glauben setzt: Wer in einer
Sitzung, in der alle Teilnehmer nach Kaffee lechzen, aufsteht und den
Kaffee holt, hat schon verloren, weil er für Führungsaufgaben
nichts taugt. Dieses dumme Machtspiel zeigt eindrucksvoll das Gegenteil
dessen, wozu wir als Christen aufgerufen sind. Wer im Vertrauen darauf
lebt, dass die Karriere nicht von Vorgesetzten gemacht wird, sondern
dass uns Gott die Aufgaben für unser Leben stellt, der kann auch
im Vorstandsmeeting den Kaffee holen.
Es zeigt sich aber auch: Demut ohne Glauben ist gefährlich, weil
es den Menschen schutzlos den Wölfen seiner Gattung aussetzt.
Demut mit Glauben ist ein kostbares Geschenk. Der als Papst Johannes
XXIII. Berühmt gewordene Angelo Roncalli hat das eindrucksvoll
geschildert:
„Auf eine Verfehlung will ich mit
einem Akt tiefer Demut reagieren;
dann bekomme ich frohen Mut
und beginne lachend neu.
So, als hätte mich Jesus
gestreichelt,
mir gut zugeredet
und mich eigenhändig wieder
aufgerichtet.“
So kann uns Gottes Heiligkeit begegnen: Als mutmachende Kraft, die uns
streichelt und aufrichtet und uns den Humor gibt, mit dem wir
darüber lachen können, wenn wir nicht so sind, wie Gott uns
haben will.
Gott mach uns Mut und sei DU die heilige Kraft, die uns mit Humor und
Initiative beschenkt, damit wir neu beginnen können aus unserem
Glauben zu leben, denn dein Friede, welcher höher ist denn
alle Vernunft, bewahre unsre Herzen und Sinne in Christo, Jesu, Amen.