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Im Taufgottesdienst am Dritten Advent wird die Predigt von Ralf-Andreas Gmelin von einem Raben kommentiert:

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem HERRn Jesus Christus.

Liebe Kinder, liebe Erwachsene,

ich mag Paulus. Diesen Mann geboren in Tarsis in Kleinasien, zunächst gut ausgebildeter Jude und vorzüglicher Kenner der Torah. Zeitweise ein zorniger Verfolger der ersten Christen, hatte er vor Damaskus ein Erlebnis, das ihn zum Christen gemacht hat.

Aber wenn seine Briefe an einem Sonntag auf dem Programm stehen, dann lese ich die im Gottesdienst immer mit etwas Bauchschmerzen. Was Paulus mitteilt, das ist oft streng überlegt, sorgfältig ausformuliert und von Martin Luther penibel in die deutsche Sprache übersetzt – und dennoch oft schwer zu verstehen.

Besonders der Brief, den Paulus in die Hauptstadt der damaligen Welt schickt, der Römerbrief, den die Christen in Rom bekommen haben, er ist besonders sorgfältig formuliert und hat darum sehr dunkle Stellen. In der Stelle, die ich jetzt lese, teilt uns Paulus mit, warum Gott uns Menschen die Bibel empfiehlt, also das, „was zuvor geschrieben“ wurde, wenn wir den richtigen Weg suchen (Römer 15,4-13):

„Denn was zuvor geschrieben ist,
das ist uns zur Lehre geschrieben,
damit wir durch Geduld
und den Trost der Schrift Hoffnung haben.
Der Gott aber der Geduld und des Trostes
gebe euch,
daß ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß,
damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.

Darum nehmt einander an,
wie Christus euch angenommen hat
zu Gottes Lob.

Denn ich sage:
Christus ist ein Diener der Juden geworden
um der Wahrhaftigkeit Gottes willen,
um die Verheißungen zu bestätigen,
die den Vätern gegeben sind;
die Heiden aber sollen Gott loben
um der Barmherzigkeit willen,
wie geschrieben steht (Psalm 18,50):
»Darum will ich dich loben unter den Heiden
und deinem Namen singen.«
Und wiederum heißt es (5. Mose 32,43):
»Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!«
Und wiederum (Psalm 117,1):
»Lobet den Herrn, alle Heiden,
und preist ihn, alle Völker!«
Und wiederum spricht Jesaja (Jesaja 11,10):
»Es wird kommen der Sproß aus der Wurzel Isais und wird aufstehen,
um zu herrschen über die Heiden;
auf den werden die Heiden hoffen.«
Der Gott der Hoffnung aber
erfülle euch mit aller Freude
und Frieden im Glauben,
daß ihr immer reicher werdet an Hoffnung
durch die Kraft des heiligen Geistes.“

Wenn wir Paulus folgen, dann steht alles schon in den Büchern des Alten Testaments: Schon die Psalmen singen, dass die Heidenvölker eines Tages auf Christus getauft werden. Und wir Heidenvölker sollen uns zusammen mit dem jüdischen Volk freuen – wie schon ein anderer Psalm gesagt hat. Und schließlich wird das Weihnachtsereignis schon im Jesajabuch vorhergesagt:

»Es wird kommen der Sproß aus der Wurzel Isais und wird aufstehen,
um zu herrschen über die Heiden;
auf den werden die Heiden hoffen.«

Der Sproß aus der Wurzel Isais wird von uns bald wieder besungen:

„Es ist ein Ros’ entsprungen,
aus einer Wurzel zart,
wie uns die Alten sungen:
Von Jesse kam die Art.“

Das wunderschöne Weihnachtslied, das niemand versteht, weil uns die Bildersprache fremd ist und wir uns auch mit den Prophezeiungen im Jesajabuch nicht mehr so gut auskennen. Wer weiß schon, dass sich hinter Jesse der Isai versteckt hält? Jesse heißt er in dem Lied, weil der auf Latein Iesse gesprochen wird. Und wer dahinter steckt, ist der Vater von König David von der Familie Efrata aus Bethlehem.

Und David war der einzige König, dem es gelungen war, aus dem winzig kleinen Israel für kurze Zeit eine Großmacht zu machen. Und damit heißt die Prophezeiung von Jesaia eigentlich: Es wird ein neuer David aufstehen, der uns Israeliten aus den Demütigungen unserer Feinde herausführen wird, indem er alle Feinde besiegt. Und Paulus dreht die Bedeutung jetzt um: Aus der Familie Davids wird einer kommen, der auch von den Heiden angebetet wird und sie werden ihm gehorchen: Und damit meint Paulus das Ereignis von Weihnachten.

In der Hoffnung, dass da etwas für alle Zeit gültiges und Wirksames geschehen ist in dieser Heiligen Nacht, in dieser Hoffnung feiern wir als Christen Advent.
Jesaja hatte die Hoffnung, dass ein neuer großer König kommt.
Paulus hatte die Hoffnung, dass durch Jesus Christus der gekommen ist, der alle Völker der Welt berührt, bewegt und verwandelt.
Ich wünsche uns, dass wir in diese Hoffnung des Paulus einstimmen können: Dass wir hoffen können, dass das Bild vom Kind in der Krippe die Welt verändert und damit in unserem Herzen anfängt.
Gott, komm DU und werde in unserem Herzen geboren, Amen.


Rabe:
Krahh,
lange nicht mehr da gewesen. Kalt ist es geworden bei Euch und dunkel. Morgens möchte man nicht aus dem Nest. Und Abends kann ich nicht früh genug die Augen zu machen. Und jetzt kriege ich kaum die Augen auf und muss von so uralten Geschichten hören, dass mir meine Federn einschlafen.

Dabei gibt’s ganz andere Geschichten, die ich tagtäglich sehe: Solche Typen mit roten Mänteln, die einen auf Sankt Nikolaus machen. Dabei: Der alte Nikolaus kam ziemlich aus der Nähe von dem Ort, wo Paulus herstammt. Jedenfalls Nähe, wenn wir’s von hier aus betrachten, etwa 400 Kilometer. Und er war ein ziemlich komischer Kauz. Er wollte Leuten einen Gefallen tun, ohne sie zu beschämen?

Ehrlich gesagt: Ich find das ja blöd. - Wenn ich jemandem einen Gefallen tue, dann sage ich dazu: O.K. das habe ich für Dich gemacht. Jetzt sei mir auch schön dankbar. Sag brav: „Danke“. Dann kriege ich vielleicht etwas Nettes zu kauen dafür oder später auch mal wieder einen Gefallen, den der andre mir tut. Ich sehe das wie euer berühmter Henry Ford: Tue Gutes und rede darüber! Und die meisten Menschen von heute machen das ja auch so. Vielleicht sind die Menschen mittlerweile Raben geworden und haben es nur noch nicht gemerkt.

Aber dieser Nikolaus war noch ein richtiger Mensch mit ganz merkwürdigen Vorstellungen: Er schlich sich nachts zu ganz armen Mädchen, die das Pech hatten, nichts zu besitzen außer ihrem Anstand. Und darum wollten die jungen Männer sie nicht heiraten – so ganz ohne Geschenke. – Ehrlich – da sind wir Raben echt moderner. Und ich glaube da haben sich die Menschen heute auch an die Raben angenähert.

Aber damals: Die Jungs hätten ihre Braut nicht geheiratet, wenn die ihr Brautgeschenk nicht geben konnten. Und das hieß bei diesen Mädels: Woher nehmen – und nicht stehlen? Aber wenn ihr aufgepasst habt: Diese Mädels waren anständig und hätten niemals gestohlen. Lieber wären sie ein Leben lang allein geblieben. Na, ja so schlimm ist das auch nicht. Ich persönlich denke: Wozu brauche ich einen Menschenmann, um glücklich zu sein? Lieber wäre mir ein Rabenmädchen! Aber für Menschenmädchen war es damals ziemlich schlimm, ohne Mann durchs Leben zu müssen.

Na gut: Da kam eben der alte Nikolaus nachts und hat ihnen eins, zwei, drei eine Goldmünze durch den Kamin geschmissen. Dann musste er ganz leise wieder vom Dach steigen. Das hat er geschafft! Und die Goldmünzen? Die haben es auch geschafft: Die sind durch den Kamin geplumpst und sind in den Strümpfen hängen geblieben, die die Mädels nach der Wäsche zum Trocknen in den Kamin gehängt hatten.

Und so merkwürdig, wie Menschenkinder sind, hängen ganz viele ihre Strümpfe, Stiefel oder Socken hin, um auch ein Goldstück oder etwas Nettes abzukriegen. Obwohl sie eigentlich nichts brauchen und auf den Dächern ja keine Nikoläuse umherklettern. Die stehen jetzt ja unten vor der Ringkirche oder in der Fußgängerzone und wissen irgendwie nicht, was sie mit sich anfangen sollen.

Irgendwie war mir der alte Kauz doch lieber, als die Typen mit den Pudelmützen. Gut das Raben keine Nikoläuse sind.

Macht’s gut und feiert schön. Im neuen Jahr sehen wir uns wieder!
Rabe ex.

Ja, vielen Dank Rabe, der Nikolaus damals in Myra passt zu dem Auftrag den Paulus uns gibt und den wir heute morgen auch im ersten Lied vom Kinderchor gesungen bekommen haben:

„Darum nehmt einander an,
wie Christus euch angenommen hat
zu Gottes Lob.

Dass Menschen sich annhemen bedeutet, dass sie uneigennützig in die Rolle des anderen schlüpfen können. Dass sie helfen ohne auf Dank und Gegenhilfe pochen. Dass sie Geben ohne zu beschämen. Das schaffen wir schwer, aber wie überall heißt es auch da: Übung macht den Meister.

Wir wünschen unseren Täuflingen Lars und Bruno, dass sie viel Hilfe bekommen, die groß und stark macht und nicht mit Dank bezahlt werden muss. Und dass sie eines Tages lernen genau so zu Geben und zu Lieben.

Und ich wünsche uns eine Kirche, die dazu Mut macht und Freude weckt zu sockem Geben und Lieben nicht sauertöpfisch und moralisch, sondern fröhlich und begeistert.

Gott hat uns vor langer Zeit versprochen, dass er unsere Welt verwandelt; es ist an uns, ihm zu glauben,
Amen.