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Die
Predigt am 11. Sonntag nach Trinitatis über das Gleichnis Von den
ungleichen Söhnen aus dem Matthäusevangelium hielt
Ralf-Andreas Gmelin (Mt 21,28-32):
Was meint ihr aber?
Es hatte ein Mann zwei Söhne
und ging zu dem ersten und sprach:
Mein Sohn, geh hin
und arbeite heute im Weinberg.
Er antwortete aber und sprach:
Nein, ich will nicht.
Danach reute es ihn, und er ging hin.
Und der Vater ging zum zweiten Sohn
und sagte dasselbe.
Der aber antwortete und sprach:
Ja, Herr! und ging nicht hin.
Wer von den beiden hat des Vaters
Willen getan? Sie antworteten: Der erste.
Jesus sprach zu ihnen:
Wahrlich, ich sage euch:
Die Zöllner und Huren kommen
eher ins Reich Gottes als ihr.
Denn Johannes kam zu euch
und lehrte euch den rechten Weg,
und ihr glaubtet ihm nicht;
aber die Zöllner und Huren
glaubten ihm.
Und obwohl ihr's saht,
tatet ihr dennoch nicht Buße,
so dass ihr ihm dann auch geglaubt
hättet.
HERR, tu meine Lippen auf, dass mein Mund Deinen Ruhm verkündige,
Amen.
Liebe Gottesdienstgemeinde,
wenn Sie sich anschauen, wie viel erwachsene Menschen sich Tag für
Tag, Woche für Woche und Jahr für Jahr in unserem deutschen
Land um die Verkündigung des christlichen Glaubens abmühen,
dann wäre das, was an positivem christlichem Bekenntnis bei den
Vielen, die davon betroffen sind, zu erwarten wäre, ziemlich
gewaltig.
Aber die Wirklichkeit sieht anders aus:
Christen, die getauft, konfirmiert und viele Jahre lang im
Religionsunterricht gesessen haben, haben wenig Kenntnis vom
christlichen Glauben und seinen Hintergründen und wenig Glaubenssubstanz: Und damit meine
ich, dass Glaube genau dann Substanz hat, wenn er zur Grundlage meines
Lebens wird und ich meinem Glauben gemäß handle.
Mit anderen Worten: Wenn es eine Pisa-Studie über
Glaubensvermittlung gäbe und der Aufwand, der für die
Glaubensvermittlung getrieben wird, mit dem Erfolg verglichen
würde, dann hätten wir in Deutschland mit großer
Wahrscheinlichkeit einen der hintersten Plätze weltweit. Wenn
Schüler zehn und mehr Unterrichtsjahre hinter sich haben und wir
fragen sie, was sie vom christlichen Glauben wissen, dann schauen sie
oft amüsiert oder gelangweilt und dann kommt ein Zucken der
Schultern.
Liebe Gottesdienstgemeinde,
seit der Pisa-Studie, wie gut der Kenntnisstand der Schüler in den
verschiedenen Ländern sei, haben wir uns daran gewöhnt, die
Schule zu prügeln. Und damit die Lehrer. Denn die
Elternhäuser anzugreifen, das würde Wählerstimmen kosten
und das will natürlich niemand – gerade jetzt, kurz vor der Wahl.
- Der fiktive Vergleich im Hinblick auf christliche Glaubensvermittlung
zeigte eines: Es gibt ganz viele Lehrer, Pfarrer und Pädagogen,
die sich um unsere Jugend bemühen. Und trotzdem kommt dann
an der entscheidenden Stelle, nämlich bei Jugendlichen nur ein
Zucken der Schultern.
Das liegt nicht daran, dass alle diese professionellen
Wissensvermittler versagen würden. Nein, für viele
Schülerinnen und Schüler gehört das Fach Religion in die
Kategorie „völlig nutzlose, lebensferne Esoterik“. Darum,
weil Religion, Christentum, Glauben zuhause nicht stattfinden. Die
Geschichten des Neuen Testaments, die Gleichnisse, Heilungen und
Streitgespräche haben keine Entsprechung im eigenen Leben. Wir
streiten über das Fernsehprogramm, über die Anschaffung von
Geräten, über einzuhaltende Uhrzeiten und die Frage, wer es
bei uns zuhause zu sagen hat. Aber wir streiten niemals darum, wie wir
nach Gottes Willen leben sollen. Was wir um Gottes Willen lassen
sollten. Wie wir nach Gottes Willen fragen können. Was wir um
Gottes Willen tun sollen.
Und ohne diesen „Sitz im Leben“, ohne dieses Ringen um
Übereinstimmung mit dem, der uns erschaffen hat, ohne diese Tiefe
in unserem persönlichen Leben und im Leben unserer Familien, ist
Religion, ist christlicher Unterricht die Vermittlung von Märchen
aus uralten Zeiten mit völlig verstaubter Moral.
Eine neuere Untersuchung belegt, dass diese religiöse
Oberflächlichkeit gerade auch bei denen zu finden ist, die von
unserer weltlichen Öffentlichkeit zu Prototypen des
religiösen Fanatismus gemacht werden. Auch von den muslimischen
Killern von London ist bekannt, dass sie aus religionsfernen Familien
stammen. Es kennzeichnet geradezu die islamistische Ideologie, dass sie
fast ausschließliche politische Interessen hat. Sie fragt nicht
die klassische religiöse Frage, die Martin Luther für uns
Protestanten formuliert hat: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?
Sondern der Islamismus als Quelle des Terrorismus fragt geradezu im
Gegenteil: Wie kann ich Einfluss auf die Menschen gewinnen? Wie kann
ich sie gefügig machen, wie kann Terror Angst und Angst
politisches Wohlverhalten erzeugen? Diese Fragen kommen ohne jeden Gott
aus. Auch der muslimische Allah ist hier vollkommen kaltgestellt.
Wenn wir als Christen im Deutschland von heute die Geschichte aus dem
Matthäusevangelium hören, dann können wir Jesus um seine
Gegner beneiden. Gott fragt uns Menschen wie der Vater, der seine
Söhne in den Weinberg schickt. Der Vater, von dem Jesus berichtet,
bekommt eine klare Antwort: Einmal Ja und einmal Nein. Nur, dass beide
Söhne mit ihrem Handeln nicht ernst nehmen, was sie gesagt haben.
Der Jasager legt sich auf die faule Haut und tut nichts. Der Neinsager
macht sich auf, und tut, was er eigentlich nicht wollte. Aber in jedem
Fall kommt es zu einer Entscheidung. Wir hören in der Geschichte
auch die Bewertung, die Jesus gibt: Der Neinsager, der dann aber in die
Hände spuckt und schafft, der hat begriffen, worum es geht. Einer,
der brav Ja sagt und dann den lieben Gott einen guten Mann sein
läst, der kommt nicht ins Reich Gottes. Jesus erinnert an Johannes
den Täufer. Die, die ihm zwar nicht widersprochen haben, aber dann
so weiter gelebt haben wie bisher, die sind die Jasager. Denen werden
die Zöllner und Huren entgegengestellt: Mit ihrem ganzen Leben
widersprechen sie dem göttlichen Auftrag. Aber dann kehren sie um.
Sie lassen sich von dem Auftrag Gottes anstecken und lassen sich auf
einen neuen Weg ein.
Die Menschen, von denen Jesus spricht,
stehen vor einer religiös bestimmten Entscheidungsfrage und
können sich zu einem Ja oder Nein durchringen – selbst, wenn sie
danach anders handeln als sie geantwortet haben.
Sie wissen wenigstens, worum es geht.
Was würde der
Mann mit seinen zwei Söhnen heute erleben?
Er geht zu dem ersten und spricht:
Mein Sohn, geh hin
und arbeite heute im Weinberg.
Der Sohn antwortet ihm:
Ich weiß nicht, was ein
Weinberg ist, wo er liegt und erst recht nicht, was ich da für
Dich tun könnte.
Danach reut es ihn vielleicht, aber
er setzt sich vor den Fernseher und wartet, bis er seine Reue vergessen
hat.
Und der Vater geht zum zweiten Sohn
und sagt dasselbe.
Der aber antwortete und sprach:
Ja, klar, tolle Idee; wenn ich mal
Zeit hab, schau ich mal vorbei. Ich glaub, da war mal irgendwas mit
Weinberg. Also: Mach dir keine Sorgen, mir fällt schon irgendwann
etwas ein.
Und dann setzt er sich vor den PC und
gibt „Weinberg“ in die Suchmaschine ein. Vor dem Bildschirm ist er dann
eingeschlafen.
Wer von den beiden hat des Vaters
Willen getan? Sie antworteten: Keiner. Warum hat der Vater ihnen nicht
besser erklärt, was er meint?
Jesus könnte zu ihnen sagen:
Wahrlich, ich sage euch:
Der Vater hat überall auf seinen
Weinberg hingewiesen. In allen Euren Städten stehen riesenhafte
Wegweiser, wie diese Ringkirche, und doch habt ihr alle die Richtung
verloren.
Ihr könnt überall
hören, was Gott von Euch will. Überall lehrt euch einer den
rechten Weg.
Aber ihr glaubt nicht, dass das
für Euch wichtig ist. Ihr habt Euch ein Hamsterrad auf Erden
errichtet, das sich rasend dreht, bis ihr nicht mehr wisst, wo Himmel
und Erde ist.
Und obwohl ihr's seht, dass Ihr auf
Eurem Weg im Hamsterrad nicht weiterkommt,
kehrt Ihr dennoch nicht um, um heraus
zu springen.
Ihr wollt den Weg zu Gott nicht
betreten, ja, ihr sucht nicht einmal danach.
Gott befrei DU uns aus dem Hamsterrad einer Welt, die sich mehr und
mehr nur noch um sich selber dreht und dabei lebensfeindlicher wird und
wo jeden Tag die Angst mehr regiert. Fang DU uns auf mit Deiner
liebenden Gnade, damit wir beginnen können mit einem Leben, das
nach DIR fragt; denn dein Friede, welcher höher ist denn
alle Vernunft, bewahre unsre Herzen und Sinne in Christo, Jesu, Amen.