Predigt > Predigtarchiv



Am ersten Advent 28. November 2004 geht Ralf-Andreas Gmelin von einer Vision des Jeremiabuches (23, 5-8) aus:

 
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem HERRn Jesus Christus.

Das Jeremiabuch sieht in eine Zukunft, in der sich keine Parteien um den Wahlsieg streiten, in der Israel und Palästina harmonisch miteinander auskommen, in der ein friedlicher Irak in eine harmonische Völkergemeinschaft zurückgekehrt ist, in der keine deutschen Soldaten in Afghanistan verletzt werden, und in der kein fremder Soldat über die falschen Menschen herrscht:

Jer 23,5-8

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, daß ich dem David einen gerechten Sproß erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird.

Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: »Der HERR unsere Gerechtigkeit«.

Darum siehe, es wird die Zeit kommen, spricht der HERR, daß man nicht mehr sagen wird: »So wahr der HERR lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat!«,

sondern: »So wahr der HERR lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel herausgeführt und hergebracht hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Landen, wohin er sie verstoßen hatte.« Und sie sollen in ihrem Lande wohnen.


HERR; tu meine Lippen auf, dass mein Mund Deinen Ruhm verkündige.


Liebe Gottesdienstgemeinde,

viel ist in den vergangenen zwölf Monaten geschehen, was unsere Welt verändert hat.

Das Bangen um den Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten, die Verschärfung der innenpolitischen Situation in den Niederlanden nach dem Mord an Theo van Gogh und nun zuletzt das Bangen nach der Wahl in der Ukraine: Sind die alten Seilschaften der UdSSR noch so intakt, dass Wahlen ungestraft gefälscht werden können?

In Kiew erzählt ein Banker von seinem Freund, einem hohen Militär, dem russische Kameraden in Moskau im freundschaftlichen Gespräch vor zwei Wochen genau geschildert haben sollen, was in der Ukraine passieren werde: "Erst würde der Regierungskandidat mit etwa drei Prozent Vorsprung die Wahl gewinnen. Dann würde Russlands Präsident Putin anrufen und gratulieren. Und für Schwierigkeiten stünden im Hintergrund russische Sondereinheiten bereit." Die ersten zwei Punkte sind bereits eingetreten.

Kein sehr gemütliches Gerücht. In unserem eigenen Land sind keine gewaltigen Veränderungen eingetreten, eher eine Zunahme von Verunsicherung: ein Thema wie die sogenannte „neue Rechtschreibung“ wurde wieder aufgegriffen, obwohl sie abgehakt schien, und das Vertrauen in die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes scheint derzeit nicht aufzublühen.


Liebe Gottesdienstgemeinde,

in diese Welt hinein scheinen jetzt die Tausende von Adventslichter, die eigentlich von einer anderen Welt berichten sollen. Ein Großteil von ihnen ist ganz und gar von dieser Welt. Sie glitzern und leuchten, damit wir nicht vergessen, wie wichtig die Vorweihnachtszeit im Einzelhandel ist.

Aber ein Teil der Adventslichter hat eine andere Bedeutung: Sie wollen an eine neue Zeit erinnern, die mit dem Kind in der Krippe begonnen hat.

Sie wollen die Hoffnung aufscheinen lassen auf eine Zukunft, in der Jesus Christus Friede und Gerechtigkeit in die Welt trägt. Eine Zukunft, die keine Kriege mehr beginnt, wie die in Afghanistan und dem Irak. Kriege, die vielleicht nie wieder aufhören, weil dem alten Unrecht immer neues Unrecht zugefügt wird.

Adventslichter sind dann ganz und gar christliche Hoffnungszeichen, wenn ihre Botschaft dem entspricht, was das Jeremiabuch prophezeit:

„Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, daß ich aus der Familie Davids einen gerechten Nachkommen schenken will.

Der soll mächtig sein, der soll wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird. Zu seiner Zeit soll der Welt geholfen werden und jedes Volk soll sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: »DU, unsere Gerechtigkeit«. Glaub mir, es wird geschehen, spricht Gott, daß man nicht mehr sagen wird:  „Weil Gott lebt, der die Israeliten aus der Gefangenschaft geführt hat!«, sondern man wird sagen: „Weil Gott lebt, der das Menschengeschlecht aus Gefangenschaften geführt und es aus allen Landen der Erde zusammengeführt hat, wohin es zerstreut gewesen war.« Und sie sollen in ihrem Lande friedlich wohnen.

 

Liebe Gottesdienstgemeinde,

das ist der schöne Traum unserer liberalen Vergangenheit, dass Menschen aus allen Enden der Erde in jedem Land der Welt zusammenkommen können, um dort eine friedliche Gemeinschaft zu bilden.

Das stimmt in Israel nicht, wohin viele unterschiedliche Juden der ganzen Erde gekommen sind – und wo es große kulturelle und politische Unterschiede gibt, die nicht einmal von der jüdischen Seite beherrscht werden können und das gilt auch nicht in den Ländern des Westens. Die Angst ist größer geworden. Die Toleranz ist kleiner geworden, die Gastfreundschaft gegenüber fremden Kulturen wird zunehmend kälter.

Was bewirken in Zeiten der Angst die Lichter des Advents? Sind es nur kitschige Zeugen einer anderen Welt, die angesichts der größer werdenden Probleme unserer tage jämmerlich versagen?

Dort oben brennt wie im vergangenen Advent der Adventsstern, der uns erinnert an den Stern von Bethlehem. Wohin führt uns Christen dieser Stern?

Führt er uns ins stille Seelenkämmerlein, wo wir des Tages Jammer verschlafen und vergessen sollen? Führt er uns den Weg in eine Weihnachtsstube, in der bunt verpackte Geschenke eine sichere Barriere bilden, damit wir ja das Kind in der Krippe nicht mehr finden?

Führt uns der Stern von Bethlehem in ein utopisches Programm, wie wir unsere Welt vor dem Zugriff der menschlichen Schuld retten können?

Zu Beginn haben wir das berühmte Adventslied des Königsberger Pfarrers Georg Weissel aus dem dreißigjährigen Krieg gesungen, in dessen vierter Strophe es heißt:

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
eu'r Herz zum Tempel zubereit'.
Die Zweiglein der Gottseligkeit
steckt auf mit Andacht, Lust und Freud;
so kommt der König auch zu euch,
ja, Heil und Leben mit zugleich.
Gelobet sei mein Gott,
voll Rat, voll Tat, voll Gnad.

Was dieses Adventslied so zeitlos macht, ist seine Trennung in den Teil, den wir als Christen tun können und den Teil, den Gott tut:

Wir können unseren Beitrag dazu leisten, dass wir nicht verschlossen bleiben. Wir können uns öffnen, damit unser Herz ein Tempel Gottes wird und nicht eine Räuberhöhle, in der wir mit eisernen Toren die Schätze der Welt vor den Blicken der anderen verbergen.

Und dann kommt der König des Friedens zu uns, er beschenkt uns reich mit Leben und Heilung.

Und darum ist es gerecht, diesen Gott stark zu machen, weil er weiß, wo es lang geht, weil er etwas bewirkt in dieser Welt und weil er mit Gnade urteilt.
 

Ich wünsche uns in diesem Advent, dass die Lichter und Zweige uns an die „Zweiglein der Gottseligkeit“ erinnern. Zweiglein, die wir aufstecken, weil wir von Gott durchdrungen werden.

Ich wünsche uns in diesem Advent die Andacht, in der Gott zu uns kommt; Die Lust, mit der wir uns dem Geheimnis von Bethlehem nähern, und die Freude darüber, dass Gott in unsere Welt gekommen ist, damit wir in seinem Licht die Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit nicht aufgeben. Unsere Welt wird im Licht dieser Hoffnung heller.

Gott, erhelle uns mit den Lichtern DEINES Advents; lass uns die Zweiglein der Gottseligkeit anstecken, denn Dein  Friede, welcher höher ist denn alle Vernunft, er bewahre unsre Herzen und Sinne in Christo, Jesu, Amen.