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Am 13. Sonntag nach Trinitatis, der 2004 auf den 5. September fiel, hielt Pfarrer Ralf-Andreas Gmelin die folgende Predigt zur Einführung der neuen Konfirmanden.

Liebe Gottesdienstgemeinde,
liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

in meiner Jugendzeit gehörten die Beatles zu den Orientierungspunkten vieler junger Menschen. Und als sie sich aufgelöst hatten, hörten die meisten jüngeren Leute noch auf die Überreste. So gehörte ein Song von John Lennon zu den Dauerbrennern der Pop-Kultur: Imagine.

Das, was diesen Titel provokant machte, war seine antireligiöse Einstellung. In Deutschland spielte das keine so große Rolle, weil hier kaum einer auf die Texte von Popsongs achtet, aber international war Imagine ein Bekenntnis gegen die als altmodisch empfundenen Religionen:
„Stell dir vor es gibt keinen Himmel,
es ist leicht, wenn du es versuchst.
Keine Hölle unter uns;
Über uns bloß Wolken.
Stell dir vor, alle Leute leben bloß für heute.
Stell dir vor, es gibt keine Länder,
es tut gar nicht weh.
Nichts wofür es sich lohnt zu morden oder zu sterben. Es gibt auch keine Religion.
Stell dir vor, alle Leute leben in Frieden.“

Und der Song endet mit der Verbrüderung aller Menschen:
„Du sagst, ich sei ein Träumer,
aber ich bin nicht der einzige.
Ich hoffe, du wirst einmal zu uns gehören
Und die Welt wird wie eine sein.“

Man muss nicht die abscheulichen Nachrichten von der Schule in Breslan kennen, um zu spüren, wie weit weg die Phantasien von John Lennon heute sind. Die Schule im Kaukasus, wo Terroristen mit Handgranaten und Maschinenpistolen Schülerinnen und Schüler ermorden, zeigt, dass unsere Welt sich in eine andere Richtung bewegt als der Traum von John Lennon.

Dazu passt ein Eindruck aus einem HiFi-Laden unserer Tage: Ich stehe eine Weile herum und warte auf eine Auskunft. Aus der Sammlung moderner Musik-Elektronik tönt laut Popmusik. Ich erkenne die Stimme von Xavier Naidoo. Ein Titel endet und dann singt diese Stimme in übernatürlicher Lautstärke schlicht das Vaterunser.

Ich erwarte, dass die Mitarbeiter jetzt verschämt die Boxen abstellen. Dass sie verlegen unter sich schauen und die Fernbedienung suchen. Dass man hüstelnd eine andere CD einlegt.

Aber nichts dergleichen: Völlig ungerührt kommt das Vaterunser bis zum Ende. Keiner findet etwas dabei. Es ist offenbar ganz normal, ein ohrenbetäubendes Vaterunser als Popsong bis zum Ende zu hören.

Das hätte es in der Zeit John Lennons nicht gegeben. Jedenfalls nicht hier in Deutschland.

Und ich denke, das markiert auch etwas: Der Traum von der einigen Menschheit, der Traum vom Frieden muss mit den Religionen geträumt werden, nicht gegen die Religionen. Wer wirklich für den Frieden und für die Toleranz in dieser Welt wirken möchte, der muss ganz eng mit den religiösen Bekenntnissen vertraut sein, die es auf unserer Erde gibt.

Und wohl denen, die eine Heimat haben in einer der Religionen. Und das darf ich als Pfarrer sagen: Wohl denen, die sich im Christentum wirklich zuhause fühlen dürfen! Als Christen haben wir manches verloren an Gewissheit, an Glaubensstärke und an der Überzeugung, dass alle nach unserer Facon selig werden müssen. Aber wir haben die Lektionen unserer Geschichte gelernt, dass es nicht darum gehen kann, andere Religionen zu verteufeln. Und damit ist der christlichen Religion der Auftrag gestellt, die Religionen dieser Welt an einen runden Tisch zu holen. Und damit einen wesentlichen Beitrag zum Frieden zu leisten.


Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

zu den schlimmen Erfahrzungen meines Lebens gehört das Gespräch mit Muslimen, in dem deutlich wurde, dass sie sich darum nicht für uns Christen interessieren, weil sie hier in Deutschland die Erfahrung gemacht haben, dass die Mehrheit unserer getauften Christen eigentlich gar nichts glauben und auch keine erkennbaren Früchte ihres Glaubens hervorbringen.

Ein Glaube, der nur noch ein paar alte Kirchen hinterlassen hat, die in unseren Städten herumstehen und für teures Geld restauriert werden müssen, ist in der Tat überflüssig. Wenn der christliche Glaube keine Folgen hat, wenn es getauften Christen egal ist, wofür und worauf sie getauft worden sind, dann hat die Hauptwurzel der westlichen Kultur unserer Erde keine Zukunft. Darum ist es wichtig, dass Ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden den christlichen Glauben kennen lernt.

Darum ist es wichtig, dass Ihr eine Konfi-Zeit habt, in der Ihr Stellung bezieht zu Eurer Taufe. Will ich zu Jesus Christus und zur Gemeinschaft derer gehören, die sich zu diesem Jesus Christus bekennen? Das ist die Frage, die über dem kommenden Jahr steht. Es geht nicht um Geschenke zur Konfirmation, nicht um die Vorbereitung von einer netten Familienfeier, sondern um Euer Verhältnis zu Jesus Christus!

Diese Frage ist Eure Frage und je ehrlicher Ihr sie beantwortet, desto wertvoller ist Eure Antwort. Ihr sollt Euch nicht konfirmieren lassen, weil die andern sich auch konfirmieren lassen, sondern weil Ihr in knapp einem Jahr davon überzeugt seid: Die Botschaft von Jesus Christus ist eine kostbare Botschaft für mich und eine kostbare Botschaft für den Frieden unserer Welt.

Ich wünsche Euch und uns, dass Ihr mit Eurer Ringkirchengemeinde eine Gemeinschaft kennen lernt, in der Ihr diese Erfahrung machen könnt. Dass Ihr hier glaubwürdige Christen erlebt, die Euch helfen, der Botschaft von Jesus Christus näher zu kommen. Dann wird dieses Konfijahr ein wichtiges Jahr Eures Lebens.

Gott hilf uns, dass wir zu einer Gemeinschaft werden, in der die Botschaft von Jesus Christus glaubwürdig bezeugt und gelebt wird, das bitten wir DICH,

Amen.