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Um die Taufe drehte sich der Gottesdienst am 6. Sonntag nach Trinitatis, bei dem Pfarrer Ralf-Andreas Gmelin zu Beginn ein paar Verse „An einen Täufling“ vortrug und dessen Predigt von dem „Missionsbefehl, ausging, der im Matthäusevangelium steht (28, 16-20).

„An einen Täufling“:

Wasser tropft auf Deinen Scheitel,
Läuft die kleine Stirn herab.
Wirst Du fröhlich oder eitel,
Hältst die ganze Welt auf Trab?

Was passiert, wenn wir Dich taufen,
Deine Tage sind noch jung.
Vor Dir liegt noch manches Raufen
Bei Angriff und Verteidigung.

Wasser tropft hinab ins Becken,
was trägt es nun mit sich fort?
Welche Kanten, welche Ecken
wirfst Du damit über Bord?

Wenn das Wasser Dich verlassen,
wovon hat es Dich befreit?
Macht es Dich ab jetzt gelassen,
macht es Dich für Gott bereit?

Was soll aus der Taufe werden?
Wird sie dir‚mal wichtig sein?
Oder sagst Du hier auf Erden
zu dem Segen Gottes: Nein?

Wasser tropft, du bist geborgen
im Arm, der Dich hier hergetragen.
Deine Taufe sei der Morgen
von durch Gott berührten Tagen.

Ob wir uns an sie erinnern,
ob sie uns vergessen geh’n:
Gottes Segen wirkt im Innern,
Gottes Geist wird in uns weh’n.

Die Predigt handelt von dem als „Missionsbefehl“ bekannten Text aus dem Matthäusevangelium 28,16-20:
„Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.
Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“
 

Liebe Gottesdienstgemeinde,

was ist aus meiner Taufe geworden? Was habe ich aus Gottes Geschenk gemacht, das ich am 30. März 1958 in der Sankt Georgskapelle in Gießen bekommen habe?

Im Gegensatz zu anderen Christenmenschen hat für mich diese Frage etwas auch beruflich Bedeutsames: Mit welchem Glauben hat sich meine Taufe verbunden? Wovon kann ich mit Überzeugung reden, wenn ich auf die Kanzel steige? Wo plappere ich wie die ungläubigen Heiden, wenn ich mich halbherzig einer Predigtaufgabe entziehe? Und was kann ich mit „Vollmacht“ predigen, wie es das Neue Testament ausdrückt?

Diese Frage: Was glaube ich eigentlich? Was ist mir wichtig? Was geht mich unmittelbar an? Wo ist meine Dimension der Tiefe? Diese Frage stellt sich zum Glück nicht nur Pfarrern, sondern vielfach auch Eltern, die angesichts ihres Kindes klären müssen: Was will ich diesem Kind mitgeben? Was ist mir wichtig? Was hat mich in bestimmten Lebenssituationen weitergebracht oder auch davor behütet, einen falschen Schritt zu gehen?

Es gibt viele Diskussionen, ob die Kindertaufe, wie sie bei uns üblich ist, gut und sinnvoll ist. Und es gibt viele gute Argumente dagegen. Aber eins steht fest: Für verantwortungsvolle Eltern ist die Kindertaufe mit ihrer Beauftragung ein Segen. Sie bekommen den Auftrag, ihrem Kind Glauben zu vermitteln. Und damit zugleich: Sie müssen ihren eigenen Glauben auf die Goldwaage legen. Wie viel davon habe ich überhaupt? Und wer in sich auf die Suche geht nach dem Glauben, der hat es nun einmal leichter, wenn die Frage heißt: Was möchte ich meinem Kind mitgeben?

Viele Eltern haben schon darüber gestaunt, wie viele Wertvorstellungen sie in ihrem Herzen gefunden haben, als sie an die Beantwortung dieser Frage gingen. Wie stelle ich mir das Leben meines Kindes vor? Was für ein Vorbild möchte ich ihm sein? Was ist für mich der schlimmste Alptraum, wovon mein Kind abhängig werden könnte?

In vielen Fällen lässt sich auch beobachten, dass ein Vater oder eine Mutter im Hinblick auf ihre eigenen Kinder ein völlig anderer Mensch ist als dieselbe Person, die sonst mit Kindern und Erwachsenen umgeht. Manchmal muss ich an die schreckliche Geschichte eines Pfarrers denken, der gegenüber der ganzen Umwelt als liberaler, humorvoller Mann galt, dem man alles anvertrauen kann. Seine eigene Tochter hat sich dennoch das Leben genommen, weil sie ihm eine damals noch bedrohlich wirkende außereheliche Schwangerschaft nicht bekennen konnte. Jedenfalls hat er es so gegenüber Bekannten so ausgedrückt. In diesem Falle war da etwas Bedrohliches in dem Bild, das die Tochter von der innersten Überzeugung ihres Vaters hatte. Aber in solchen Wünschen drückt sich dann auch die elterliche Liebe aus, weil sie sich orientiert an dem, was wir letztlich für unser eigenes Leben als Leitvorstellung in uns tragen.

Die Taufe verbindet unsere eigenen Wünsche mit dem, was Jesus Christus uns als Auftrag gibt. Und wenn wir uns von Jesus Christus leiten lassen wollen, dann ist das nicht ohne Anstrengung; als müssten wir mit ihm und den Jüngern zusammen auf diesen Berg in Galiläa klettern. Es ist nicht allzu steil, aber die Sonne scheint hell und heiß auf uns herunter. Und Jesus kommt zu uns und sagt zu uns: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Zu all den Sorgen, die wir uns um einen geliebten Menschen machen, kommt noch die zweite Frage: „Glaubst du das?“ Glaubst du, dass Jesus Christus alle Gewalt in Himmel und auf Erden gegeben ist? Sollen alle Völker zu Jüngern werden? Nach den Kreuzzügen, nach der Kanonenbootsmissionierung im Zeitalter des Imperialismus? Lehrt sie alles halten, was Jesus Christus befohlen hat. Weiß ich, was er befohlen hat? Ist da genug übrig aus jahrelangem Religionsunterricht oder aus dem kurzen Konfirmandenjahr oder aus dem, was meine Eltern und Paten mir an Glaube vermittelt haben?

Der Taufbefehl macht es uns nicht leichter, sondern schwerer, mit unserem Glauben umzugehen. Denn er erinnert uns daran, dass nicht allein unsere Träume und Sehnsüchte ausschlaggebend sind, sondern Gottes Wille, der durch Jesus Christus zum Ausdruck kommt. Und ohne Schlusswort, wäre der Taufbefehl eine ziemliche Zumutung. Zum Glück heißt es dort: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Und das gilt auch und gerade in Glaubensdingen. Wenn ich mich überfordert fühle, wenn ich merke, dass ich damit nicht durchkomme, was mir wirklich wichtig ist, dann darf ich spüren, dass Jesus Christus jeden Tag bei mir ist, dass er die Gemeinschaft der Getauften nicht allein lässt, bis die letzte Stunde der Erde verstrichen ist.

Glaubst du das? Dann ist eine fruchtbare Pflanze aus dem Senfkorn gewachsen, das bei Deiner Taufe in Dich gesät worden ist. Glaubst du das nicht? Dann sieh’, ob aus Deinem Senfkorn noch ein kräftigeres Pflänzchen treibt und lehne dich an Menschen an, die glaubwürdig ihren Glauben leben.

Die Taufe ist kein Zauberspruch. Durch sie bekommt ein Mensch keine fromme Natur verliehen. Sie ist ein Angebot Gottes, wie es in den Versen am Anfang hieß:

Was soll aus der Taufe werden?
Wird sie dir mal wichtig sein?
Oder sagst Du hier auf Erden
zu dem Segen Gottes: Nein?

Beide Möglichkeiten stecken in der Taufe. Aber Gott zieht sein Angebot nicht zurück. Das soll uns Kraft geben, unser Ja zu Gott in uns wachsen zu lassen.

DU, Jesus Christus: Komm DU zu uns, ja, komm Herr Jesus, denn dein Friede, welcher höher ist denn alle Vernunft, er bewahre unsre Herzen und Sinne in Christo Jesu, Amen.