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Weihnachtspredigt in der Christmette, 23.00 Uhr

von Dr. Sunny Panitz

Seit einigen Jahren wird die Christmette in der Ringkirche von dem Stadtjugendpfarramt Wiesbaden, bzw. von dessen Gottesdienstvorbereitungsgruppe „Sensus und Spiritus“ gestaltet.
Der Name ist auch Programm. In diesem Jahr sollte Möglichkeit geboten werden, Weihnachten mit allen Sinnen zu erfassen. Die Jugendlichen der Vorbereitungsgruppe haben sich, einander und ihre Familien befragt, mit welchen Sinneswahrnehmungen und Gefühlen denn für sie Weihnachten verbunden sei. Die Antworten waren vielfältig, kreisten aber hauptsächlich um Sinneseindrücke, die im Zusammenhang mit Essen und Trinken und den Geruch von Schnee stehen. Die Predigt versucht eine theologische Konkretion der Aufgabenstellung.
 
 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen.

Und es ist geschehen: Gnade und Liebe und Gemeinschaft sind mit uns,
seit dem Wunder, das in jener Nacht geschah.
Es war ein heimliches Wunder, ein leises,
ein Wunder an Menschlichkeit und Liebe.

Und die Menschen, die sich erinnern, was damals geschah,
erfüllt diese Erinnerung Jahr um Jahr aufs Neue.
Sie werden irgendwie angerührt von der Geschichte,
von dem Geschehen, von dem erzählt wird,
von dem auch Engel sangen
und über dem Hören der Geschichte und der Lieder
besinnen sich die Menschen und werden weicher und milder,
und werden selber irgendwie menschlicher als sonst.
Sie versuchen gut zueinander zu sein in diesen Tagen
und machen sich Geschenke.

Und in den Kirchen, die voll sind wie sonst nie,
singen sie wieder ganz andächtig: Stille Nacht, heilige Nacht.
Und dann weiß man, dann fühlt man in der Welt,
dass wohl wieder Weihnachten ist.
Und wenn gerade wieder Krieg ist irgendwo,
schweigen die Waffen - manchmal,
dann ist eine Nacht lang Feuerpause.
Und dann singen manchmal sogar die Soldaten.
Und sie singen auch in Bosnien, in Afghanistan oder am Golf
und denken an Zuhause,
an ihre Eltern, ihre Männer und Frauen, Freundinnen, Freunde
und wenn sie Kinder haben, so denken sie an die.
Dann weiß man in der Welt und fühlt es, dass wieder Weihnachten ist.

Bei uns geht es anders zu, andere Assoziationen stellen sich ein, andere Bilder kommen,
andere Klänge, Gerüche, Geschmäcke – ja sagt man das „Geschmäcke“? –
ein anderer Geschmack, andere Gefühle kommen in den Sinn.

Da hat Weihnachten wohl mehr mit gutem Essen zu tun
und riecht nach Gänsebraten, Zimtstern und Glühwein.
 
 

Aber Leute, im Vertrauen gesagt,
Zimtsterne machen einfach nur dick
und Glühwein ist ein ekelhaft süßes und klebriges Gesöff,
das einem einen dicken Kopf macht, wenn man zuviel davon hat.
Und egal, was es sei, wenn man zuviel hat
von diesem Weihnachtsduft, -geruch, -geschmack und Klingklang,
dieser Weihnachtsdeko und Weihnachtsgefühlsduselei,
dann wird einem einfach nur schlecht.

Was aber bleibt, wenn nun auch noch der Pfarrer in der Christmette Weihnachten mies macht, was bleibt uns dann?
Was ist mit der Sinnlichkeit dieses Festes, die wir so lieben,
was bleibt uns da zu erleben, zu erfahren, zu spüren?
Zum Anfang zurück, erinnert Euch: auf die Geschichte hören, die erzählt wird!
Hören ist ja auch ein Sinn.

Weihnachten, das wirkliche Weihnachten, von dem ja hier die Rede ist,
wird nur erfahren im Hören auf die Weihnachtsgeschichte, sie gehört zu Weihnachten
und wo sie gehört wird, da wird Weihnachten.
Aber man muss freilich mit dem Herzen hören
und alle Sinne öffnen für das Geschehen und es erfassen:
Gott ist Mensch geworden in jener Nacht,

„Kein Aug hat je gespürt, kein Ohr hat mehr gehört, solche Freude “

Gott ist Mensch geworden.

Der große allmächtige, unnahbare, ewige, heilige Gott,
der Himmel und Erde und alles geschaffen hat,
ist klein, ein Menschenkind, Mensch, menschlich geworden.
Gott ist in diesem neugeborenen Kind einer geworden wie wir,
einer von uns, der Welt und unseren Sinnen zugänglich und erfahrbar.
Jetzt kann ich Gott sehen und hören und riechen auch,
so singen wir sogar.

1. Es ist ein Ros, entsprungen, eine Rose aus einer Wurzel zart,
wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art
und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter
wohl zu der halben Nacht.

3. Das Blümelein so kleine, das duftet uns so süß;
mit seinem hellen Scheine vertreibt's die Finsternis.
Wahr' Mensch und wahrer Gott, hilft uns aus allem Leide,
rettet von Sünd und Tod.

Das für sich zu entdecken, wovon dieses Lied singt,
dass die Finsternis, die uns umgibt, vertrieben wird,
dass uns geholfen wird, auch aus dem Leid,
dass wir gerettet werden, auch vor dem Tod,
das ist Weihnachten.
 
 
 

Weihnachten heißt, Gott mit allen Sinnen erfassen können als Menschen:
Gott ist ein Kind, Gott ist mein Menschenbruder, meine Menschenschwester,
Gott begegnet mir im Nächsten.
Gott hat den Himmel aufgegeben und ist in die Niedrigkeit der Welt, gekommen,
ist in die Zeit, in die Weltgeschichte eingetreten
und hat ein Menschenleben lang als dieses Kind aus Bethlehem,
als dieser Mann aus Nazareth, als Wanderprediger am See Genezareth und in Galiläa gezeigt nicht nur, was Menschsein heißt,
sondern wie Gott wirklich ist.
In ihm hat sich Gott erfahrbar, erlebbar gemacht.
Gott ist Zuwendung, Menschlichkeit, Hinwendung zum Nächsten,
ist Gnade, Wahrheit, Vergebung, sein Wesen ist Liebe und Licht
und darin ist er unter den Menschen kenntlich und sichtbar,
dass mit seinem Kommen die Finsternis weicht.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne im rechten Glauben zum ewigen Leben. Amen.