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Am dreizehnten Sonntag nach Tinitatis geht es in der Predigt von Ralf-Andreas Gmelin um das Verhältnis zwischen der Diakonie, dem praktischen Dienst des Glaubens und der Verkündigung, dem Dienst am Wort. Sie geht von der Trennung beider Bereiche in der Apostelgeschichte 6, 1-7 aus.
 

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem HERRN Jesus Christus.Lasst uns hören auf die Worte der Heiligen Schrift, wie wir sie aufgezeichnet finden in der Apostelgeschichte 6,1-7:

In diesen Tagen aber, als die Zahl der Jünger zunahm, erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen, weil ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen Versorgung. Da riefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht recht, dass wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen. Darum, ihr lieben Brüder, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll heiligen Geistes und Weisheit sind, die wir bestellen wollen zu diesem Dienst. Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben. Und die Rede gefiel der ganzen Menge gut; und sie wählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaus, den Judengenossen aus Antiochia.Diese Männer stellten sie vor die Apostel; die beteten und legten die Hände auf sie. Und das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam.

HERR, tu meine Lippen auf, dass mein Mund Deinen Ruhm verkündige.
 

Liebe Gottesdienstgemeinde,

„Es ist nicht recht, dass wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen.” Praktischer Dienst und Dienst am Wort. Zwei Dimensionen von Kirche. Zwei Dimensionen von Kirche, die offenbar schon ganz früh, in der Urgemeinde aufeinandergeprallt sind: Es ist nicht zu überhören, dieses Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen. Der Grund ist schlichte Ungerechtigkeit weil ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen Versorgung. Und es gehört zur Weisheit der Apostel, dass sie die beiden Dienste von einander trennen: Hier die praktische Arbeit und die Leute, die für die praktische Arbeit zuständig sind: Sie sollen das Essen gerecht verteilen und sich um die Brüder und Schwestern kümmern, die schwach sind. Und da die Verkündigung des Wortes, mit Leuten, die die Frohe Botschaft verkünden und neue Brüder und Schwestern gewinnen sollen.

Eine außerordentlich erfolgreiche und geschichtsmächtige Entscheidung: Auch heute haben die christlichen Kirchen in unserem Land zwei ebenso getrennte Bereiche: Hier das Diakonische Werk, das praktisch hilft und da die Kirche mit ihren Gemeinden, die für die Verkündigung zuständig sind. Das wird gerade in diesen Tagen sichtbar, in denen für die Opfer der Flutkatastrophe gesammelt wird: Im katholischen Bereich sorgen nicht die Diözesen für Hilfe, sondern der Caritas-Verband. Und auf evangelische Seite macht nicht jede Gemeinde, jede Landeskirche oder die Evangelische Kirche in Deutschland ein Hilfsangebot, sondern das Diakonische Werk (Kennwort Hochwasser, Postbank Stuttgart, BLZ 600 100 70, Konto: 502 707). Diese großen professionellen Hilfsorganisationen werden genau aus dem Grund gebraucht, warum in der Apostelgeschichte die Diakonen eingesetzt werden: Es ist gar nicht so einfach zu helfen und es ist noch schwieriger, gerecht zu helfen! In den Wirren, die derzeit in den Städten und Dörfern herrschen, wo das Wasser und der Schlamm eine Welt der Verwüstung zurückgelassen haben, ist die schnelle, gerechte Hilfe außerordentlich schwer zu leisten. Und sicherlich werden auch die großen Werke nicht alles perfekt hinbekommen. Es wird Leute geben, die sich etwas von dem Kuchen ergaunern, es wird da und dort der eine mehr bekommen als der andere und es wird da und dort ein Euro in unbekannten Abgründen verschwinden. Aber davon abgesehen: Die großen Werke stehen dafür, dass der Löwenanteil der von so vielen Menschen aufgebrachten Spendengelder genau dort hin kommen, wo sie unverzüglich gebraucht werden: Bei den Menschen, die nicht wissen, wo sie morgen wohnen sollen, bei den Betrieben, die dringend Hilfe brauchen, um fortbestehen zu können und bei den Verzweifelten, die ohne Hilfe nicht wissen, wie sie weiterleben sollen.

Und genau da leisten die großen Werke einen riesengroßen Dienst, auch wenn es hinterher da und dort ein Murren geben wird.Es ist schon ein riesengroßer Dienst, dass es seriöse Spendenwerke gibt, denen Millionen Menschen ihr Geld anvertrauen können. Viele Menschen wollen heute helfen und es ist schade um jeden Cent, der da in falsche Hände gerät, denn die betrügerischen Organisationen, die aus der Hilfswilligkeit ihre eigenen Taschen füllen wollen, sind genau so schnell gewesen wie die Caritas und Diakonisches Werk. Sie umschwirren jede Katastrophe wie ein Schwarm Stechmücken.

Praktische Hilfe, diakonisches Handeln: In diesen tagen liegt jedem vor Augen, wie wichtig das ist. Die Verkündigung des Wortes: Was hat die in diesen Zeiten auszurichten? Was bedeutet es, heute hier in der Ringkirche zu sitzen und Gottesdienst zu feiern? Ist das Zeitverschwendung in einer Zeit, wo wir auch 20 Sandsäcke hätten füllen können? Ich denke nicht: Der Gottesdienst das Befüllen eines symbolischen Sandsackes: Wir stehen den Helfern und Aktiven auf den Deichen und in den Dörfern nicht im Wege herum, aber wir fühlen uns ihnen verbunden. Im Gottesdienst bringen wir ihr Anliegen vor Gott und wünschen uns, dass ER ihr Handeln und Arbeiten segnet. Wer Sandsäcke füllt und transportiert hat keine Hand für das gebet frei. Wir leihen allen, die in diesem Augenblick den verzweifelten Kampf gegen die Flut führen, unsere Hände zum Gebet. Beides erscheint mir wichtig: Die praktische Hilfe, das diakonische Handeln, aber auch das Bitten, dass es zu etwas Gutem führen möge. Da treffen sich Diakonie und Verkündigung wieder, so wie es in dem Lied nach Matthias Claudius heißt: „Wir pflügen und wir streuen, den Samen auf das Land; doch Wachstum und Gedeihen kommt aus des Himmels Hand.”

Was bedeutet es für Euch Konfirmanden, wenn  Ihr dieses Jahr Sonntags und Dienstags danach suchen sollt, was Gott von Euch will, was Gott mit Eurem Leben vorhat. Wenn Ihr etwas Gutes tut, dann kommt dabei etwas heraus, was man sehen kann. Was kommt bei Eurer Konfirmandenzeit heraus? Etwas weniger Sichtbares bestimmt! Aber wir wünschen uns, dass da am Ende Eurer Konfi-Zeit etwas in Euch zurückbleibt, was Euch Euer Leben lang daran erinnert, dass Gott von Euch etwas Gutes möchte. Der Nachteil an guten taten ist, dass ihre Wirkung so schnell nachlässt. So wie die Sandsäcke sinnlos sind, wenn das Hochwasser sich zurückgezogen hat, so werden auch andere Wohltaten schnell vergessen. Wenn Du als Konfirmand oder als Konfirmandin lernst, dass Gott Dir Kraft zum Guten schenkt, dann kann Dich das ein ganzes Leben lang verändern.

Darum geht es auch in einer Geschichte, die das Matthäusevangelium erzählt  (26,7-13): Jesus wird darin von einer Frau mit kostbarem Salböl gesalbt. Als das die Jünger von Jesus sehen, werden sie unwillig und sprechen: Wozu diese Vergeudung? Es hätte teuer verkauft und das Geld den Armen gegeben werden können. Als Jesus das merkt, sagt er ihnen: Was betrübt ihr die Frau? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn Arme habt ihr allezeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit. Dass sie das Öl auf meinen Leib gegossen hat, das hat sie für mein Begräbnis getan. Wahrlich, ich sage euch: Wo dies Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat. Jesus unterscheidet hier auch zwischen dem Anpacken, für das der Unwille der Jünger steht und dem symbolischen Handeln, das aus dem Salben der Frau eine Verkündigung macht, die von Jesu Tod und Begraben werden spricht. Beides ist wichtig und beides ist gut: Praktisches Handeln und symbolisches Handeln, Diakonie und Verkündigung.

Eine Leserzuschrift von mir, die der Wiesbadener Kurier am vergangenen Dienstag abgedruckt hat, hat gerade in manchen kirchlichen Kreisen zu Gesprächen geführt. Es ging darin um den Zustand unserer Ringkircheninsel und damit auch um den Unterschied zwischen einem symbolischen und einem diakonischen Aspekt: Menschen, die den ganzen Tag auf dem Ringkirchengelände sitzen und sich dort dem Trunk ergeben, sind einerseits das Ziel von diakonischem Handeln: Wer in der Lage ist, alkoholkranken Menschen über Jahre hinweg einen anderen Weg zu zeigen und sie auf diesen Weg zu bringen, würde diesen Menschen einen ungeheuer großen Dienst tun. Ich sehe in unserer Gemeinde und in unserer Kirche niemanden, der zu diesem großen Dienst in der Lage ist. Die Ringkircheninsel, ist der Ort eines Kirchenbaus. Die Ringkirche dient der Verkündigung des Evangeliums.  Hier drinnen, indem in dieser Kirche jedes Detail auf die Feier des Gottesdienstes hin gestaltet wurde. Und draußen steht dieser Bau als Symbol für den Willen Gottes mitten auf dieser unruhigen Verkehrsinsel. Der Raum um die Kirche ist ein Ort, wo Menschen inmitten dieser Stadt die Chance haben sollen, nach Gott und seinem Willen zu fragen. Der symbolischen Botschaft einer Kirche schaden Menschen, die diesen Ort für ihr selbstzerstörerisches Handeln nutzen.

Diese kontroverse Frage zeigt den gegenseitigen Bezug, aber auch den Konflikt von praktischem Dienst und symbolischer Verkündigung, dem Gegensatz, den bereits die Urchristenheit  in unterschiedliche Hände legte, wie die Apostelgeschichte berichtet. Glaube als die Wirkung von symbolischer Verkündigung drängt nach praktischem Handeln. Aber der Handelnde muss sich dabei auch der Grenzen bewusst sein, die ihm gezogen sind. Ich wünsche uns, dass wir uns zum Handeln bewegen lassen, in diesen Tagen vor allem auch für die Opfer der Flutkatastrophe, aber dass wir auch unsere Grenzen und Prioritäten aufmerksam wahrnehmen und daraus die richtigen Entscheidungen fällen.

Verleih DU unserem Glauben Flügel, damit er uns zu DIR trägt und schenke unseren Händen Kraft, damit sie DEINER Liebe dienen, denn dein  Friede, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre unsre Herzen und Sinne in Christo, Jesu, Amen.