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Am zweiten Passionssonntag "Reminiscere", am 24. Februar 2002 hielt Ralf-Andreas Gmelin die Predigt über Hebräer 11, 1ff

Der Glaube ist nicht das wichtigste Thema der Bibel. In den meisten Geschichten geht es um Gehorsam: Du Mensch, sollst die Regeln Gottes Gehorsam einhalten. Um so interessanter ist eine Stelle im Hebräerbrief, in dem sich alles um den Glauben dreht. Wir hören aus diesem Brief eine Stelle im 11. Kapitel,

Hebr 11,1-10

Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem,

was man nicht sieht.

Durch diesen Glauben haben die Vorfahren Gottes Zeugnis empfangen. Durch den Glauben erkennen wir, daß die Welt durch Gottes Wort geschaffen ist...

Aber ohne Glauben ist's unmöglich, Gott zu gefallen; denn wer zu Gott kommen will, der muß glauben,

daß er ist und daß er denen,

die ihn suchen, ihren Lohn gibt.

Durch den Glauben hat Noah Gott geehrt und die Arche gebaut zur Rettung seines Hauses,

als er ein göttliches Wort empfing über das,

was man noch nicht sah;

durch den Glauben sprach er der Welt das Urteil und hat ererbt die Gerechtigkeit,

die durch den Glauben kommt.

Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam,

als er berufen wurde, in ein Land zu ziehen,

das er erben sollte;

und er zog aus und wußte nicht, wo er hinkäme.

Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen in dem verheißenen Lande wie in einem fremden

und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung.

Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.

HERR, tu meine Lippen auf, dass mein Mund Deinen Ruhm verkündige.

Liebe Gottesdienstgemeinde,

wer von uns kennt nicht die Lebenslüge Nummer eins?

Dieses „Wenn erst einmal, dann werde ich aber!"

Manchmal bekommt diese Lebenslüge eine ziemlich lange Nase angehängt. Ich bin selbst im Hinblick auf Deutschland einer solchen Lebenslüge überführt worden. Irgendwie war mir schon seit den siebziger Jahren völlig klar, dass ich die Vereinigung der beiden deutschen Staaten erleben werde. Ich hätte nicht sagen können, warum, aber ich war mir ganz sicher. Und ich war mir auch ganz sicher, dass ich dann in diesem Fall auch etwas dafür tun muss; dass wieder zusammen wächst, was zusammengehört.

Und dann kam das Jahr 1989, die Grenze ging auf und die Mauer ging in Stücke - und, ja, - nichts ist passiert mit mir.

Ich hatte genug mit meinen Alltagspflichten zu tun, ich war noch zu kurz in der Gemeinde, wo ich als Pfarrer Dienst tat. Und irgendwie kam mir diese Grenzöffnung ungelegen. Dieses: Eigentlich müsstest Du jetzt los, es beschränkte sich auf ein paar vage Kontakte, ein paar Wochenendtrips in die bald „neuen Bundesländer" - und damit hatte sich’s.

Der Tag war da, das Wunder ja nun wirklich groß genug, aber ich bin sitzen geblieben, eingebunden in meine eigene Welt, von der ich mich nicht lösen mochte.

Und da hat der Deuteengel meines Lebens noch eins drauf gesetzt: Harmlos sitze ich wenige Monate später in einer Apfelweinkneipe und ein Kommunalpolitiker kommt durch die Tür, von dem ich wusste, dass er dem Ruf des Ostens gefolgt war. Er war irgendwo Landrat, wußte ich und jetzt erfuhr ich den Namen des Ortes: Zeitz. Und nun spitzt sich mein innerer Konflikt zu. Die Herausforderung bekommt einen Namen, wird ganz konkret und ausführbar: Er erzählt, dass ganz dringend ein Pfarrer gesucht würde, der den Religionsunterricht in einer großen Schule seines Kreises neu organisiert. Ob ich nicht Lust hätte, ‘rüber zu kommen.

Ein Kneipengespräch, das mich innerlich erschüttert hat. Tagelang fühlte ich mich hohl und unsicher. Ich besuchte den Politiker mit einer Gruppe von Jugendlichen - unauffällig und unverbindlich. Und ich konnte mich nicht dazu durchringen, das zu tun, was ich eigentlich von mir erwartet hätte.

Die Geschichte ist lange her, der Politiker quittierte kurz darauf seinen Dienst im Osten. Offiziell wegen politischer Differenzen, tatsächlich, weil seine Ehefrau niemals nachgekommen wäre. Und die Schule wurde vom Christlichen Jugenddorfwerk auch ohne mich gut organisiert.

Was bleibt ist eine Erfahrung. Eine bittere Erfahrung. Eine bittere Erfahrung, die mir wert ist, sie Ihnen heute morgen mitzuteilen. Da ergeht ein lauter Ruf an mich. Und ich bleibe sitzen. Da passiert ein weltgeschichtliches Wunder und ich hab gerade zu viel mit meinen kleinen Sorgen zu tun. Ich kann mich im Nachhinein trösten, dass ich vermutlich sowieso der Verkehrte gewesen wäre - irgend so ein Besserwessi, der den Leuten erspart geblieben ist. Aber das wird nie zur ganzen Wahrheit: Ich hatte den Ruf zu einer ganz kleinen Heldentat - und habe weggeguckt. Ich hätte ein winziges Leiden auf mich nehmen sollen, aber mein bequemerer Alltag hat mich festgehalten.

Ich weiß nicht, ob es ein Ruf Gottes gewesen ist, dem ich nicht gehorcht habe; aber der Ruf einer inneren Stimme war’s auf jeden Fall. Und die bittere Erfahrung hat mich gelehrt, vorsichtig zu sein, von anderen Heldentaten zu fordern.

„Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam,

als er berufen wurde, in ein Land zu ziehen, das er erben sollte;

und er zog aus und wußte nicht, wo er hinkäme.

Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen in dem verheißenen Lande wie in einem fremden

und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung.

Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist."

Die zweite Lehre ist der Respekt vor denen, die ausgezogen sind und nicht wussten, wo sie hinkämen. In der Bibel und in der Gegenwart. Es ist keine leichte Aufgabe, aufzubrechen. Obwohl ich zwölf Mal umgezogen bin und fast jedesmal die Zelte hinter mir abgebrochen habe, habe ich mich vor dem Umzug in eine Welt gefürchtet, in der ich ein Fremdling gewesen wäre. Und auch wenn Vergleiche hinken und Ähnlichkeiten nie ganz zutreffen: Die Angst loszuziehen und aufzubrechen hat etwas mit einem Mangel an Glauben zu tun, den der Predigttext klar benennt: „Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist." Ich war zu sehr selbst Baumeister und Schöpfer meines Lebens und ich hatte Angst, das mein Aufbruch die Fundamente meines Werkes erschüttert. Ich wollte mich nicht auf den Gott verlassen, der Fundamente legt, die durch das Leben nicht erschüttert werden können. Schade. Und doch: Wäre ich heute weiter? Zweifel sind angemessen:

„Glaube ist eine feste Zuversicht auf das,

was man hofft,

und ein Nichtzweifeln an dem,

was man nicht sieht."

Die Zuversicht auf das Erhoffte ist zu klein gewesen und der Zweifel an dem Unsichtbaren ist zu groß gewesen. Die Aufgabe ist das, was gestärkt aus dieser Geschichte hervorgeht. Sie heißt: Dein Glaube muss größer werden.

Das wünsche ich mir von Gott und das wünsche ich Ihnen, dass ER unseren Glauben stärkt, damit die Hoffnung uns beflügelt und das Unsichtbare uns stärkt.

Das schenke uns DU, denn DEIN Friede, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre unsre Herzen und Sinne in Christo, Jesu, Amen.