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Am Ersten Weihnachtstag 2001 hielt Ralf-Andreas Gmelin eine Predigt zu Galater 4. 4-7

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und dem HERRn Jesus Christus.

Laßt uns hören auf die Worte der Heiligen Schrift, wie wir sie aufgezeichnet finden im Brief des Paulus an die Gemeinde in Galatien im 4. Kapitel, (4-7):

Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen. Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater! So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott.

Herr, tu meine Lippen auf, daß mein Mund Deinen Ruhm verkündige.

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Ochs und Esel stehen im Hintergrund.

Zwischen den beiden steht die Krippe.

In diesem Futtertrog liegt das Kind in Windeln gewickelt.

Das Kind in der Krippe, wir als Kinder Gottes, die von Herzen Gott anrufen: Abba, lieber Vater.

Das Kind, das Gott bedeutet, kommt im Viehstall zur Welt. -

Paulus, der die ältesten Schriften des Neuen Testaments verfasst hat, erzählt über die Geburt von Jesus fast nichts. Fast lakonisch erwähnt er: "Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan,

damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen."

Die bekannte Weihnachtsgeschichte steht im Lukasevangelium, das wir vorhin schon gehört haben. Das Lukasevangelium ist erst sehr spät aufgeschrieben worden.

Die Geschichte vom gekreuzigten Gott, das war die bekannteste Geschichte in der ersten Stunde des Christentums. - Nicht der kindgewordene Gott. Vergötterte Kinder, die hat es auch schon in der Antike in großer Zahl gegeben.

Die Geschichte davon, daß dieser Gott ja irgendwie auf diese Welt gekommen sein musste, darüber hat man dann aber auch noch nachgedacht.

Und diese Gedanken sind uns vertraut.

Als Idyll, als geschnitztes Stilleben.

Ochs und Esel, dazwischen der Futtertrog.

Da fehlt Ihnen etwas? Oder besser jemand?

Die älteste Geburtsdarstellung- ungefähr um 420 entstanden, ist ein Elfenbeintäfelchen, das heute in Nevèrs zu finden ist.

Und dort findet sich nur Ochs und Esel - und dazwischen Jesus Christus im Freßtrog.

Erst hundert Jahre später entdeckt die Kunst, daß zu diesen Dreien auch Maria und Josef - als die Eltern - dazugehören müssten.

Allein dieser Blick in die christliche Kunstgeschichte zeigt, daß dss brave Krippenbild ursprünglich gar kein naives Idyll ist.

Ochs und Esel haben nämlich nicht dekorative, sondern vielmehr symbolische Bedeutung:

Der Profet Jesaja (1,3) hatte verkündet:

"Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn, aber Israel kennt's nicht, und mein Volk versteht's nicht."

Ochs und Esel sind also über die profetische Mahnung ins Bild gekommen. Ganz im Sinne des Neuen Testaments: Wer so glaubt, wie Ochs und Esel an ihrem Herren hängen, dem geschieht das Wunder der Erlösung.

Beim Kirchenvater Augustin finden eine Deutung für die beiden Tiere:

Der Ochse, ein nach alttestamentlichem Gesetz reines Tier steht für das Judentum.

Der Esel, ein unreines Tier steht für die Heidenvölker.

Und die Krippenidylle bekommt noch mehr Risse:

Ochs und Esel schauen nicht ohne Absicht in die Krippe.

Denn diese Krippe ist ihr Futternapf.

Und in diesem Futternapf liegt ein Kind.

Ochs und Esel bekommen dieses Kind als Speise.

Unser Krippenbild hält uns deutlich vor Augen, was im Abendmahl geschieht.

Wer sich als Jude oder Heide zu Jesus Christus hält, isst seinen Leib und trinkt sein Blut.

Vielleicht spüren Sie es:

Die urtümliche Darstellung, Ochs, Esel und Krippe mit Kind, fasst symbolisch den ganzen christlichen Glauben zusammen.

Und je mehr Figuren dazukommen, desto harmloser wird die Szenerie. Wenn sich Engel, Hirten und Schafe auf den Bildern vor dem Stall tummeln, dann verliert die Krippe ihren Schrecken. Und die reizende Riesenkrippe auf dem Wiesbadener Louisenplatz zeigt rührend, dass es ihr nur um Dekoration, um die brave Idylle geht. Man geht vorbei mit Gleichgültigkeit, oder im günstigsten Falle mit Ach wie hübsch. Und dann war's das.-

Dass Ochs und Esel dieses Kind essen.

Dass dieses Kind auf alten Darstellungen oft gewickelt ist wie ein toter Körper,

dass die Krippe oft als Altarstein gestaltet ist, auf dem Opfer gebracht werden,

solche Gedanken dürfen einem zwischen Glühwein und Karussell natürlich nicht kommen.

Die Geburtsgeschichte Jesu hat demnach - wie Paulus beweist - kein großes Interesse an Maria und Josef. Die Namen der Eltern des Christkindes stammen aus einer späten Epoche und sind vielleicht frei erfunden. Am Anfang geht es nicht um eine rührende Elternszene, oder die soziale Anklage, dass Kinder oft in Not geboren werden: Am Anfang steht schon im Stall das gesamte Leben dieses Jesus Christus vor Augen bis hin zu Abendmahl, Kreuz und Tod.

Aber die Weihnachtsgeschichte verführt seit es sie gibt dazu, dass man sie weiter ausmalt.

Schon das Lukasevangelium malt aus. Auch wenn Ochs und Esel hier gar nicht vorkommen - sie entstammen einer apokryphen Schrift - , die Stallszene reizt unsere Phantasie.

So hat die Phantasie der späteren Christen ja auch den genauen Ort der Geburt gefunden.

Der Platz, auf dem die Geburtskirche in Bethelehem steht: Eine Höhle, die heute mit Marmor und Silberstern ausgekleidet ist. Ein merkwürdiger Kontrast im jahr 2001, in dem kaum ein Pilger an Weihnachten Bethlehem besucht und die Kirchen und Läden leer bleiben, während auf den Landstraßen Panzer patroullieren.

Der Silberstern in der Gebiurtsgrotte glitzert dennoch. Ein bisschen idyllisch aber auch ein bisschen Hoffnungszeichen in einer dunklen Zeit.

Wir spüren: das hat etwas mit der symbolischen Tiefe der früheren Geburtsvorstellung zu tun. Das Silber glitzert im Viehstall, sein heller Glanz versucht die Finsternis eines Alltags zu erhellen, der von Streit, Armut und Bedrohtheit gezeichnet ist.

Wir wollen gleich Leib und Blut von Jesus Christus in Brot und Wein schmecken.

Und das heißt, wir stellen uns wie Ochs und Esel an den steinernen Trog unseres Altars. Und wir denken an die hölzerne Krippe dort drüben im Stall. Wir nehmen Jesus Christus in uns auf, hier im Stall von Bethlehem, den das Bethlehem der geburt ist überall.

Nein, Weihnachten ist kein theologisches Leichtgewicht, wie es manchmal in den Medien heißt, denn in der Bedrohung, in der Niedrigkeit, in der Ausgestossenheit und im Mordplan des Herodes entdecken wir Züge des ganzen Lebens Jesu.

Und ich denke, das macht auch die eigentliche Aktualität der Weihnachtsgeschichte aus: Sie spiegelt die Bosheit und die Bedrohtheit, die in allen Epochen der mesnchlichen Gescichte lauern. Und sie entzündet gegen diese Dunkelheit das Licht der Freude.

Freu dich über das Geheimnis der Weihnacht:

Gott liefert sich als kleines Kind unmittelbar uns Menschen aus.

Er macht sich wehrlos,

er braucht unsere Sorge,

er braucht unsere Liebe,

er bittet uns um diese Liebe.

Das berührt Menschen in allen Jahrhunderten.

Das berührt uns - wenn wir glauben, dass in ihm Gott zu seiner Menschheit kommt.

Gott, unser Vater, Du gibst Dich in unsere Hand, lass uns mit Liebe für Dich wirken,

Du wirkst nicht durch Deine Macht,

sondern durch unser Handeln.

Gib uns dafür Einsicht, Richtung und Ziel,

damit wir Dein Menschsein in unserem Herzen behüten - im Dienst für Deine Schöpfung,

denn dein Friede, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre unsre Herzen und Sinne in Christo, Jesu, Amen.