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Gottesdienst am 14. Sonntag nach Trinitatis, 16. Sept. 2001,
Sonntag nach den Anschlägen auf WTC in New York und das Pentagon in Washington

Begrüßung
Es ist gut, dass Sie gekommen sind, herzlich willkommen. Heute Morgen ist es besonders gut, dass Sie gekommen sind, denn das waren besonders erschütternde Tage und für manche auch schlaflose Nächte.
Wir sind noch immer verstört und müde von der Arbeit, die die Seele leisten muss in dieser schweren Zeit: uns den Weg weisen, den wir gehen sollen, in unserem Fühlen und Denken und Reden, den Weg der Gerechtigkeit nämlich und der Vergebung und des Friedens, und der Liebe, wo doch gerade unsere Trauer in Wut und Hass und unsere Tränen in Schreie nach Vergeltung umschlagen wollen, und unsere Lähmung in Aktion, weil die westliche Welt – weil wir am empfindlichen Nerv getroffen sind, weil unsere politischen und militärischen Führern und wir selbst in unserer eigenen Ohnmacht und Verletzlichkeit lange nicht, vielleicht noch nie so vor geführt wurden.
Wir sind bloßgestellt und erschüttert. Es scheint fast als wären die Säulen der Identität gefallen.
Wir sind in Angst und wollen uns schützen und uns wehren und zurückschlagen, wie Menschen es in solchen Situationen seit je her selbstverständlich immer tun.
Wie soll das angehen, dass wir, die wir so voller berechtigter Wut sind angesichts von Ungerechtigkeit und Skrupellosigkeit und böser Tat und umgeben von den Trümmern unseres Stolzes – wie sollen wir da den Weg der Gerechtigkeit finden und - ausgerichtet an Gottes Wort -Menschen seines Friedens und seiner Liebe werden?

Es ist gut, dass wir beieinander sind, nicht sagen, was die Rachgierigen sagen, sondern uns besinnen und hören auf Gotte, von dem es heißt, dass er spricht: „Die Rache ist mein!“

Uns aber, die wir zu ihm gehören und in seinem Hause stehen dürfen, ist gegeben ein Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit, dass wir daraus leben. Weise uns, Herr, in diesem Gottesdienst deinen Weg.

Psalmgebet
Ps. 5, ein Psalm Davids, vorzusingen zum Flötenspiel, ein Gebet um Leitung und Bewahrung:
2 HERR, höre meine Worte, merke auf mein Reden!
3 Vernimm mein Schreien, mein König und mein Gott; denn ich will zu dir beten.
4 HERR, frühe wollest du meine Stimme hören, frühe will ich mich zu dir wenden und aufmerken.
5 Denn du bist nicht ein Gott, dem gottloses Wesen gefällt; wer böse ist, bleibt nicht vor dir.
6 Die Ruhmredigen bestehen nicht vor deinen Augen; du bist feind allen Übeltätern.
7 Du bringst die Lügner um; dem HERRN sind ein Gräuel die Blutgierigen und Falschen.
8 Ich aber darf in dein Haus gehen durch deine große Güte und anbeten vor deinem heiligen Tempel in deiner Furcht.
9 HERR, leite mich in deiner Gerechtigkeit um meiner Feinde willen; ebne vor mir deinen Weg!
Segne du, HERR, die Gerechten, decke sie mit Gnade wie mit einem Schilde.

Sündenbekenntnis
Wir klagen Dir, Gott, unsere Ohnmacht und unsere Ratlosigkeit über das, was geschehen ist.
Wir stehen vor den Trümmern brutaler Gewalt, vor Trümmern, die das Leben bislang noch ungezählter Menschen und die Hoffnungen und Träume ihrer Familien unter sich begraben haben. Wir werden still vor dir, Gott, im Schmerz über das Leid unserer Brüder und Schwestern,
wir werden still, auch weil uns angesichts der Brutalität dieses Aktes und des Rufs nach Vergeltung klar wird, wie sehr wir gefangen sind im Kreislauf der Gewalt und dass wir es nicht geschafft haben, aus dem Geist deines Friedens und deiner Menschenfreundlichkeit zu leben.
Jeder von uns hat nur ein kleines Stück daran gedreht und so doch die Spirale der Gewalt und Brutalität in unvorstellbare Höhe getrieben.
Dunkel ist es geworden, auch in unserer Welt, mit der Staubwolke über Manhattan.
Weise uns, Herr, deinen Weg.

Gnadenzusage
Christus spricht: "Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt wird nicht wandeln in Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben."

Kollektengebet
Wir stehen vor dir, himmlischer Vater mit unserer Sprachlosigkeit und Ratlosigkeit.
Nimm unsere gestammelten Worte und wirren Gedanken und forme sie zu einem Gebet.
Hilf uns zur Ruhe und zur Besonnenheit.

Unsere Gedanken gehen hin zu denen, die in den Flugzeugen gesessen haben,
zu denen, die in die Tiefe gestürzt sind,zu denen, die unter Trümmern begraben liegen,
zu denen, die gestorben sind und gerade sterben und sterben werden
und zu ihren Familien und Freunden. Erbarme dich, himmlischer Vater, über ihrem Schmerz.
Erbarme dich der Rettungskräfte und der Helfer, des medizinischen Personals,
der Polizisten und der Feuerwehrleute und derer, die seelsorgerlich und geistlich beistehen.
Erbarme dich der Täter, die vielleicht erst in deinem Gericht erkennen, was sie getan haben.
Erbarme dich unser und unserer friedlosen Welt, dass sie endlich den Weg geht, den du gewiesen hast, der heraus führt aus der Spirale von Hass und Gewalt, von Unrecht und Vergeltung.
Hilf uns dazu auch in diesem Gottesdienst

Einführung zur Schriftlesung
Die da sagen, das war noch nie da, die haben bisher nicht gesehen und nur noch nicht erfahren am eigenen Leib und vielleicht auch nur schon wieder vergessen, was alles schon war, wie Gewalt auch schon ehedem Leben auf Erden zerstört und erschüttert hat, denn das Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend an.
Was wir gesehen haben, war nicht der Anfang, war allerdings ein weiterer Schritt in der Eskalation von Gewalt, in die wir eingebunden sind seit Anbeginn der Welt.

Im Jahre 587 vor Christus haben die Babylonier das Reich Juda ausgelöscht, haben die Hauptstadt verwüstet, Jerusalem verbrannt und den von König Salomo erbauten Tempel eingerissen. Auch der war damals Mittelpunkt des religiösen, geistigen und geistlichen und politischen Lebens, Zentrum ihrer Landes, Regierungssitz und Handelszentrum zugleich. Das Leid der Menschen in den Trümmern ihrer nationalen und religiösen Identität war kaum vorstellbar, nicht kleiner als das Entsetzen der Menschen heute in den USA. Damals haben sie ein Klagelied angestimmt, das dem Propheten Jeremia zugeschrieben ist, ein Klagelied, denn damals – wie heute – ist die Zeit nach einer solchen nationalen Katastrophe noch nicht die Zeit des Verstehens, nicht die Zeit der Zuweisung von Schuld, nicht die Zeit der Rache und der Vergeltung, in dem sich die Spirale der Gewalt unbedacht nach oben schraubt. Dies ist einzig die Zeit der Klage.

Schriftlesung aus den Klageliedern Jeremias
1,1 Wie liegt die Stadt so verlassen, die voll Volks war!
Sie ist wie eine Witwe, die Fürstin unter den Völkern und eine Königin in den Ländern war.
Sie weint des Nachts, dass ihr die Tränen über die Backen laufen.
2,1 Wie hat der Herr die Tochter Zion mit seinem Zorn überschüttet!
Er hat ihre Herrlichkeit vom Himmel auf die Erde geworfen;
er hat nicht gedacht an seinen Fußschemel am Tage seines Zorns.
2 Der Herr hat die Wohnungen Jakobs ohne Erbarmen vertilgt,
er hat die Burgen der Tochter Juda abgebrochen in seinem Grimm
und geschleift. Er hat entweiht ihr Königreich und ihre Fürsten.
3 Er hat alle Macht Israels in seinem grimmigen Zorn zerbrochen,
er hat seine rechte Hand zurückgezogen, als der Feind kam,
und hat in Jakob gewütet wie ein flammendes Feuer, das alles ringsum verzehrt.

5 Der Herr ist wie ein Feind geworden, er hat vertilgt.
Er hat zerstört alle Paläste und hat die Burgen vernichtet;
er hat der Tochter Juda viel Jammer und Leid gebracht.

10 Die Ältesten sitzen auf der Erde und sind still,
sie werfen Staub auf ihre Häupter und haben den Sack angezogen.
Die Jungfrauen von Jerusalem senken ihre Köpfe zur Erde.
11 Ich habe mir fast die Augen ausgeweint, mein Leib tut mir weh, mein Herz ist auf die Erde ausgeschüttet über dem Jammer der Tochter meines Volks.

Predigt
Aus dem 37. Psalm:
5 Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohl machen
6 und wird deine Gerechtigkeit heraufführen wie das Licht und dein Recht wie den Mittag.
7 Sei stille dem HERRN und warte auf ihn.
Entrüste dich nicht über den, der seinen Mutwillen treibt.
8 Steh ab vom Zorn und lass den Grimm, entrüste dich nicht, damit du nicht Unrecht tust.
9 Denn die Bösen werden ausgerottet; die aber des HERRN harren, werden das Land erben.

Heute, am fünften Tag nach der Katastrophe hat sich die Staubwolke über dem südlichen Manhattan gesetzt, der Regen hat dazu geholfen, und der Rauch über dem Pentagon hat sich verzogen. Die Rettungsmannschaften sehen das Ausmaß der Zerstörung klarer und erkennen allmählich, dass es – wie wir schon am Dienstag geahnt haben – die Katastrophe alle unsere Vorstellungen übersteigt. Jetzt hat die Wirklichkeit wieder jedes fiktive Horrorszenarium überholt.

Und auch wir –wachgerüttelt erst durch diese gewaltige Katastrophe – sehen die Lage, in der wir, wir Menschen dieser Welt uns befinden, klarer. Wir leben – und es fällt mir schwer, das zu sagen, denn ich war immer einer, der geglaubt hat, wir wären als Menschen zwar unzulänglich, aber wohl doch durch Gottes Gnade und sein Wort immer noch auf einem Weg in bessere Zukunft – nein, wir leben in einer der Sünde und dem Tod verfallenen Welt, verstrickt in ein Geflecht aus Brutalität, Habgier, Ungerechtigkeit, Selbstsucht, Rechthaberei und Lüge.
Es ist ja das Inferno, das am Dienstag und seitdem die Welt erschüttert und uns in Entsetzen stürzt, nicht die isolierte Tat einer Gruppe von Wahnsinnigen. Es ist viel schlimmer: es ist klares und nüchternes Kalkül, seinerseits schon geboren und entstanden aus dem Geist der Rache und des Hasses- warum sonst sollte es geschehen , Antwort auf das, was die Attentäter aus ihrer Sicht jahrzehntelang als Demütigung verstanden und hingenommen haben. Wer Ohren hatte zu hören und Augen zu sehen, der hat wissen, zumindest ahnen können, dass der Konflikt zwischen der arabisch-islamischen und der westlich-christlichen Welt zu solchen Handlungen führen würde, ja schon früher geführt hat.

Ich habe in den letzte Tagen ein vor längerer Zeit aufgezeichnetes Interview mit einem islamischen Führer in den USA gesehen, der deutlich sagt: „Ich werde die linke Seite nicht hinhalten! Wenn ich auf die rechte Wange geschlagen werde, werde ich nicht auch noch die linke Seite hinhalten, sondern ich werde zurückschlagen, so ich kann, und versuchen, die Mitte des Gesichts dessen zu treffen, der mich geschlagen hat.“ Und so ist es geschehen.
Das World Trade Center und das Pentagon, das sind, das waren die Zentren der westlichen Welt, worin sie zusammengehalten, von wo aus sie regiert wird, das waren Säulen ihrer Macht, Säulen ihrer Identität und noch dazu schön, so schön im Glanz der Abendsonne über New York.
Und die sind empfindlich getroffen und vor den Augen der Welt zerstört und zusammengefallen.

Wer Ohren hatte zu hören, der hat hören können und wer Augen hatte zu sehen, der hat sehen können. Die Anschläge vom letzten Dienstag, die waren gewiss skrupellos und brutal. Es ist dieser Geist der Gewalt und des Hasses, der Rache und des Krieges, der unsere Welt ihrem Untergang entgegen treibt. Gewalt, Hass, Vergeltungsschläge und Kriege führen uns nicht hinaus aus unserer Not, was immer sie sei, sondern nur tiefer hinein in Fluch und Verdammnis.

Und was wird nun die Antwort sein auf diesen Angriff?
Es sinnen viele Herzen auf Rache und des ist angekündigt, dass die Vergeltung furchtbar sein wird.

Wenn aber Vergeltung zum Maßstab des Handelns gemacht wird, dann sind nicht nur die Säulen, sondern auch die Fundamente der westlichen Welt bedroht. Sie sind Demokratie, Freiheitlichkeit und Rechtsstaatlichkeit und dann und damit erst hat der Terrorismus sein Ziel erreicht.

Aber da ist offensichtlich kaum noch ein Halten und kein Weg hinaus aus dem Kreis von Gewalttat und Rache und Sünde und Tod.

Und gäbe es denn eine Antwort, die ihrerseits nicht geboren wäre aus dem Geist des Hasses, der Vergeltung, die uns nicht noch näher an den Rand des Krieges oder weiter hinein triebe?

Das ist die Stelle meiner größten Ratlosigkeit und des Dilemmas, der Fluch: dass wir deutlich Stellung beziehen gegen Terrorismus und handeln müssen und dass wir - was immer wir tun - schuldig werden durch unsere Tat und eben auch dann, wenn wir nichts tun.

Es scheint mir aber wichtig und das Gebot der Stunde, darauf hinzuweisen, dass kein Moslem, weil er Moslem ist, dem Reich des Satans angehört. Genau so wenig, wie einer, der in seinem Denken und Fühlen und seiner geistigen Orientierung nach zur westlichen Welt gehört allein darum ohne Sünde ist. Das ist gewiss nicht so. Es ist mir in dieser Stunde und angesichts von Ausschreitungen und der skeptisch aggressiven und bisweilen furchtsamen Blicke auf muslimische Nachbarinnen und Nachbarn wichtig zu betonen, dass kein Mensch allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einem Volk oder einer Religion besser oder schlechter ist als ein anderer, eben leider nicht. Was Gewalttat und Rache und Vergeltung anbelangt, bleiben sich die Völker nichts schuldig. Und auch wir, die wir Christen sind, tun uns in diesen Tagen besonders schwer, uns auf die Grundlagen des eigenen Glaubens und Kernsätze unserer christlicher Lehre zu besinnen:

Richtet nicht, auf dass Ihr nicht gerichtet werdet! Denn mit dem Urteil mit dem Ihr verurteilt , werdet ihr verurteilt werden und mit dem Maß mit dem ihr messt, werdet ihr gemessen werden. (Mt. 7,1+2)

12,12 Seid geduldig in Bedrängnis, beharrlich im Gebet. 14 Segnet, die euch verfolgen, segnet und flucht nicht! 16 Haltet euch nicht selbst für klug. 17 Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. 18 Ist's möglich, soviel an euch liegt,
so habt mit allen Menschen Frieden. 19 Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben (5. Mose 32,35): »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.« 20 Vielmehr, »wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln« (Sprüche 25,21-22). 21 Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Besser sind wir nicht, weil wir Christen heißen, wir sind es allenfalls, wenn wir als Christen leben, wenn wir unser Denken, unser Reden und unser Tun, unsere innere und äußere Haltung ausrichteten an dem, was Gott uns im Gesetz geboten hat und was er uns in seinem Wort verheißen hat. Den Weg hinaus aus dem Kreislauf von Gewalt, Rache und Vergeltung, aus dem Elend und der Ungerechtigkeit dieser Welt, an der wir beteiligt sind, die uns hier wie da zu den Auswüchsen extremer Menschenverachtung und Brutalität geführt hat, den Weg hinaus aus Sünde und Schuld und Todesverfallenheit, den weisen niemals die Rufe nach Rache und Vergeltung und nicht die Stammtischparolen, sondern allein das Wort unseres Gottes.

Und ich will am Schluss meiner Predigt nun zurückkehren zu dem, was mich in diesem Inferno am meisten erschüttert hat, vor allen politischen Erwägungen und Betrachtungen über die Bosheit der Menschen und die Verlorenheit der Welt. Es waren die Worte des Abschieds, die Menschen füreinander gefunden haben, mit denen sie einander bedacht haben im Angesicht des sicheren Todes, solange sie noch über das Handy miteinander verbunden waren, während sie im Flugzeug oder am Bildschirm verfolgen konnten, wie das Unglück seinen Lauf nahm.

Was am Ende zählt, im letzten Augenblick, das sind nicht die Gedanken der Rache und der Vergeltung und des Hasses, sondern es ist der Satz, der vielleicht hundertfach gesagt wurde zwischen Ehepartnern oder Kindern und Eltern in diesen Minuten:
„Ich liebe dich. Ihr müsst immer wissen, dass sich euch liebe.“
Nichts, nur dieser Satz, der die Liebe der Menschen füreinander bezeugt und der Glaube an die Liebe Gottes zu uns allen, wird uns herausführen aus dem Elend und uns den Weg weisen zu jener anderen Welt, die wir ersehnen.

Möge der Friede Gottes, der höher ist als menschliche Vernunft uns Herzen und Sinne bewahren und uns führen im rechten Glauben zum ewigen Leben. Amen.



Wort des Leitenden Geistlichen Amtes der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau
angesichts der Terroranschläge in den USA für die Gemeinden der EKHN
zur Verlesung in den Gottesdiensten am 16. September 2001.

Unsere Hoffnung steht auf Jesus Christus, welcher spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebet, und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben. (Joh. 11,25,.26)

Liebe Schwestern und Brüder!
Die Terroranschläge in New York und Washington haben uns fassungslos und tief traurig gemacht. Die Folgen werden unser Leben verändern. Unsere Anteilnahme und unsere Solidarität gelten den Opfern und ihren Angehörigen. Unser Grundvertrauen ist erschüttert, dass wir als Personen angenommen, begabt, fähig und frei sind, eine Gesellschaft in Gerechtigkeit und Frieden anzustreben und aufzubauen.
Das Neue Testament spricht dieses alles entscheidende Lebensgefühl im Galaterbrief an: Lasst uns bestehen in der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat. In Christus Jesus gilt der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.
Deshalb vertrauen wir darauf, dass die Einzelnen und die Gesellschaft lebensfördernd, liebend und in freier Verständigung ihr Leben führen können. Unser Vertrauen ist begründet in Gottes Gnade für uns alle, in seiner Zuwendung zu seinen Geschöpfen. Durch seine Liebe sind wir von ihm gehalten, versöhnt und frei geworden, allein seinem Willen zu folgen.
Auch wenn unsere Trauer jetzt in Zorn umschlägt, wenn wir bestrafen und größere Sicherheit wollen, und wenn jetzt sogar zur Rache aufgerufen wird, werfen wir unser Vertrauen auf ihn. Seinem Willen allein wollen wir nachfolgen.
Darum wollen wir den Menschen beistehen und in politischer Verantwortung fest bleiben. Trotz unserer eigenen Ängste müssen wir die Situation ruhig und gründlich analysieren und beurteilen. Wir müssen auch im Gespräch mit den Muslimen bleiben und nachhaltig dafür arbeiten, dass dem Terrorismus der Boden entzogen wird.
Lassen Sie uns gemeinsam in der Verantwortung bleiben. Wir vermögen dies vornehmlich aus der Kraft Gottes, welche wir durch das Evangelium von Jesus Christus empfangen. Denn in ihm offenbart sich seine Liebe und Gnade für alle Schöpfung.
Wir bitten Sie, im Gebet für den Frieden nicht nachzulassen und, wo dies noch nicht geschieht, in den Gemeinden regelmäßig zu Friedensgebeten einzuladen.
Lasst uns bestehen in der Freiheit, zu der uns Christus befreit.

Darmstadt, den 13. September 2001
Für das Leitende Geistliche Amt
gez. Hans-Helmut Köke
Stellvertreter des Kirchenpräsidenten

Allgemeines Kirchengebet
Gott, Du Quelle der Liebe und des Friedens, für uns ist diese Welt seit Dienstag in ihren Grundfesten erschüttert. Wir treten vor Dich mit unserem Entsetzen, unserer Sprachlosigkeit und unserer Ohnmacht, in die wir durch die schrecklichen Terroranschläge in New York, Washington und Pittsburgh geraten sind. Herr, erbarme dich!

Gott, Du Schöpfer und Erhalter, wir rufen Dich an und bitten Dich: Sei Du bei den Opfern und ihren Angehörigen in ihrem Schock, ihrer Verzweiflung und Trauer. Stärke alle, die die Toten bergen und die Verletzten versorgen. Lass sie körperlich und seelisch durchhalten. Gib, dass alle, die in diesen Tagen politische Verantwortung tragen, angemessene und weitsichtige Entscheidungen treffen. Alle, die das Ausmaß des Schreckens in Verwirrung gestürzt und seelisch zerstört hat, lass wieder Orientierung für ihr Leben finden. Herr, erbarme dich!

Gott, Du Richter der Lebenden und Toten, begegne Du den Tätern und denen, die sie zu ihrem Tun veranlasst haben mit Deiner Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit. Wehre ihrer Maßlosigkeit und ihrer Zerstörungswut.
Gib, dass Deine Welt und die Menschheit vor weiteren Terroranschlägen bewahrt bleiben. Stärke Du in allen Religionen die Kräfte, die Frieden und Versöhnung stiften. Hilf uns allen, die Welt nicht einfach in Gut und Böse einzuteilen. Herr, erbarme dich!

Gott, Du Freund der Buße, die Umdenken und Veränderung möglich macht, lass uns als Christinnen und Christen auf der ganzen Welt entschiedener und hoffnungsvoller für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung eintreten. Bleibe bei uns in Deiner Liebe und in Deinem Erbarmen zugewandt. Herr, erbarme dich!